Nds FG hat Zweifel an Verfassungsmäßigkeit der Höhe der steuerlichen Kinderfreibeträge
Gespeichert von Prof. Dr. Claus Koss am
Eine Steuerberaterin aus Westerstede hatte für 2014 gegen die Kinderfreibeträge geklagt. Sie machte geltend, dass die Freibeträge gemäß § 32 Abs. 6 EStG - verfassungswidrig - das Existenzminimum für ihre beiden Kinder (16 und 21 Jahre) nicht von der steuerlichen Bemessungsgrundlage freistelle. Die Folge: die alleinerziehende Mutter musste das Existenzminimum aus zuvor versteuertem Einkommen entrichten. Hätten die Kinder eigenes Einkommen, bliebe der Grundfreibetrag in Höhe von jeweils aktuell EUR 8.652 (§ 32 Abs. 1 Satz 1 EStG) unbesteuert. Demgegenüber beträgt der Kinderfreibetrag aktuell EUR 2.304 für das sächliche Existenzminimum und der Freibetrag für Betreuungs-, Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf aktuell EUR 1.320 (§ 32 Abs. 6 Satz 1 EStG).
Unter Hinweis auf den Existenzminimumbericht der Bundesregierung selber sah das Niedersächsische Finanzgericht den Kinderfreibetrag in verfassungswidriger Weise als zu niedrig bemessen an. Die Richter in Hannover legten die gesetzliche Regelung daher dem Bundesverfassungsgericht vor.
Die Höhe des Kinderfreibetrags ist seit Jahren ein Dauerbrenner im Steuerrecht. Es ist fiskalisch verständlich, dass der Steuergesetzgeber diesen Betrag möglichst niedrig halten möchte. Denn selbst kleine Erhöhungen wirken sich angesichts der Masse von Fällen massiv auf die Steuereinnahmen aus. Andererseits subventioniert der Fiskus durch den Ehegattensplitting Ehepaare selbst ohne Kinder (Steuerersparnis bis zu über TEUR 15). Wer dagegen den aktuellen Kinderfreibetrag für das sächliche Existenzminimum von EUR 2.304 durch 365 Tage teilt, hat einen Tagessatz von EUR 6,31 - zum Vergleich: der steuerliche Sachbezugswert für die freie Verpflegung mit Frühstück, Mittagessen und Abendessen beträgt EUR 7,87, der Sachbezugswert für freie Verpflegung und Unterkunft EUR 15,30 täglich.
Die Richtervorlage des Niedersächsischen Finanzgerichts ist daher zu begrüßen, damit die Höhe höchstrichterlich geklärt werden kann.
Steuerpflichtige mit Kindern sollten die Entscheidung zum Anlass einer Überprüfung ihres Einkommensteuerbescheides nehmen. Die Finanzverwaltung stellt die Höhe des Kinderfreibetrags standardmäßig unter einen Vorläufigkeitsvermerk. Wenn ein solcher fehlt, sollten Bescheide offen gehalten werden.