Whistleblowing jetzt anonym möglich
Gespeichert von Prof. Dr. Claus Koss am
Am Montag, 2. November 2015, schlug die Vatikanische Polizei zu. Sie verhaftete - nein, nicht die mutmaßlichen Übeltäter, sondern - einen als konservativ beschriebenen Priester und die Mitarbeiterin einer der großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Diese hatten Journalisten vertrauliche Dokumente zugespielt hatten. Ihr brisanter Inhalt: Die Kosten für die Heiligsprechung können bis zu einer halben Million Euro kosten, in einem Fall wurden 750.000 Euro fällig. Diese sind von den Antragstellern aufzubringen und - so schrieben die Journalisten - werden oft nicht ordnungsgemäß verbucht.
Der BaFin geht es nicht um die Suche nach Heiligen, sondern um Informationen über mögliche Verstöße gegen Aufsichtsrecht. Da die Hinweisgeber oft nur unter dem Schutz der Anonymität zu Hinweisen bereit sind, hat die BaFin unter www.business-keeper.com ein elektronisches Kommunikationssystem freigeschaltet. Diese garantiert vollkommene Anonymität, auch wenn die Behörde mit dem Whistleblower in Kontakt tritt. Wenn der Informant nicht selber Hinweise auf seine Identität gibt, kennt die BaFin den Hinweis sie nicht.
Neben dem neuen elektronischen System besteht weiterhin die Möglichkeit die Hinweise per Post, telefonisch oder persönlich in Bonn zu geben.
Auf ihrer Webseite betont die Finanzaufsicht den Schutz der Hinweisgeber. So dürfe die BaFin die Identität eines Hinweisgebers grundsätzlich nicht bekannt geben, ohne zuvor dessen ausdrückliche Zustimmung einzuholen (§ 4d Abs. 3 Satz 1 FinDAG). Auch dürften Beschäftigte in beaufsichtigten Unternehmen, die sich an die Hinweisgeberstelle der BaFin wenden, dafür grundsätzlich weder arbeitsrechtlich noch strafrechtlich belangt werden (§ 4d Abs. 6 FinDAG).
Aber, so der vorsichtige Zusatz auf der BaFin-Website, könne die Justiz, ggfs. nach Anordnung der Offenlegung personenbezogener Daten durch das Gericht, auf die Daten zugreifen.
Die grundsätzliche Zusage der Anonymität und des Schutzes vor rechtlichen Konsequenzen greift aber nicht bei Angehörigen berufsmäßig zur Verschwiegenheit verpflichteter Berufe und deren Mitarbeiter. Wirtschaftsprüfer, Steuerberater oder Rechtsanwälte können daher weder über die anonyme Website noch auf anderem Wege an die BaFin oder über die Öffentlichkeit versuchen, ihre Mandanten zu einem aufsichtsrechtlichen Wohlverhalten zwingen. In einem Gutachten kommen die Wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestages zu dem Ergebnis, dass "Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften ... bei der Prüfung von Abschlüssen nicht in den Anwendungsbereich des FinDAG" fallen. Das heißt: sie sind bei Whistelblowing nicht nach § 4d Abs. 4 FinDAG vor rechtlichen Konsequenzen geschützt.
Diesem Ergebnis ist auch für alle rechts-, steuer- und wirtschaftsberatenden Berufe zuzustimmen: die Verschwiegenheitspflicht ist die Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Mandanten. Wenn der Berufsangehörige diesen nicht von einem nach seiner Einschätzung rechtswidrigen Verhalten abhalten kann, wird ihm als ultima ratio nur die Niederlegung des Mandats bleiben.
Denn soweit wie der Heilige Nepomuk müssen Wirtschaftsprüfer, Steuerberater oder Rechtsanwälte nicht gehen. Der Legende nach soll dieser in der Moldau ertränkt worden sein, weil er sich weigerte, das Beichtgeheimnis zu brechen. Der König wollte wissen, ob die Königin dem Priester nicht Seitensprünge gebeichtet habe. Das ist zwar keine Frage des Aufsichtsrechts, aber für den gehörnten Ehemann auch eine interessante Frage.
----------------- Quellen --------------------------
- Politi, James; Segreti, Giulia: Book revelations on sainthood price tags embarrass Vatican. Financial Times, Ausg. 39,005 (7./8. November 2015), S. 4.
- Website der BaFin, www.bafin.de
- Gesetz über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz - FinDAG) vom 22. April 2002 (BGBl. I S. 1310), zuletzt geändert durch Art. 2 Gesetz vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3171)
- Deutscher Bundestag - Wissenschaftliche Dienste - v. 2. Juni 2016 - WD 4 - 3000 - 064/16: Schutzbereich von § 4d Abs. 6 Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz.