Schicksalhafte Tage für die Sozialkassen im Baugewerbe
Gespeichert von Prof. Dr. Markus Stoffels am
Es geht um viel Geld und das Fortbestehen der Sozialkassen im Baugewerbe (Soka Bau). Diese Kassen verwalten Beiträge von rund 77000 Betrieben für ca. 700000 Bauarbeiter. Bei den Sozialkassen des Baugewerbes (SOKA-BAU) handelt es sich um gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes (Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt - IG BAU -, Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V. - HDB - und Zentralverband des Deutschen Baugewerbes e.V. - ZDB -). Die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse erbringt Leistungen im Urlaubs- und Berufsbildungsverfahren, die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes zusätzliche Altersversorgungsleistungen, die jeweils in gesonderten Tarifverträgen näher geregelt sind. Zur Finanzierung dieser Leistungen werden nach Maßgabe des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe Beiträge von den Arbeitgebern erhoben. Durch die Allgemeinverbindlicherklärung gelten die Tarifverträge nicht nur für die tarifgebundenen Mitglieder der Tarifvertragsparteien, sondern auch für alle anderen Arbeitgeber der Branche. Sie sind hiernach zur Beitragszahlung verpflichtet. Sowohl die Arbeitgeber als auch ihre Beschäftigten erhalten Leistungen von den Sozialkassen.
Infolge zweier Entscheidung vom 21.9.2016 (10 ABR 33/15 -NZA-Beilage 2017, 12 und 10 ABR 48/15, BeckRS 2016, 74224), in denen das BAG die Allgemeinverbindlichkeit des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe in den Jahren 2008, 2010 und 2014 für unwirksam befunden hat, sind die Soka-Bau in existenzielle Bedrängnis geraten. Zur Begründung führte das BAG zum einen aus, dass jedenfalls einige Erklärung der Allgemeinverbindlichkeit nicht auf Ministerebene abgezeichnet worden sind. Zum anderen rügte das Gericht Fehler des Bundesarbeitsministeriums bei der Feststellung des damals notwendigen Quorums von 50 % als Voraussetzung der Allgemeinverbindlicherklärung. Ein kritische Auseinandersetzung mit diesen Urteilen findet sich übrigens im neuesten Heft der NZA (Greiner: die Unwirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung von Sozialkassentarifverträgen im Baugewerbe, NZA 2017, 98). Das BAG hat seine Rechtsprechung in dieser Woche durch zwei weitere Beschlüsse vom 25.1.2017 (10 ABR 43/15 und 10 ABR 34/15) weiter fortgeführt und dieselbe Feststellung für die Jahre 2012 und 2013 getroffen.
Derweil bemüht sich der Gesetzgeber um ein Reparaturgesetz. Vorgesehen ist - vereinfacht gesprochen – dass die fraglichen Tarifverträge per Gesetz für die Vergangenheit verbindlich gemacht werden. Tarifrechtliche Verfahrensfehler wären dann unbeachtlich und die Kassen blieben von den ansonsten drohenden Rückforderungen verschont. Wie die FAZ (24.1.217, S. 16) berichtet, fand zu dem 712 Seiten starken „Sozialkassenverfahrenssicherungsgesetz“ am 23.1.2017 eine Sachverständigenanhörung vor dem Bundestag statt. Prof. Bayreuther (Passau) habe sich in seinem Gutachten trotz der von ihm diagnostizierten „echten Rückwirkung“ für die Verfassungsmäßigkeit des geplanten Gesetzes ausgesprochen. Auch das Gutachten von Prof. Preis (Köln) komme zu einem ähnlichen Ergebnis. Dass das Sozialkassenverfahrenssicherungsgesetz vor dem BVerfG landen wird, dürfte indes ziemlich wahrscheinlich. Endgültige Rechtssicherheit wird mithin noch eine Weile auf sich warten lassen.