Einzelraser im Kraftfahrzeugrennen? Zum neuen § 315d StGB
Gespeichert von Prof. Dr. Henning Ernst Müller am
In den letzten Wochen dieser Legislaturperiode werden quasi im Tagestakt noch Strafgesetze entworfen, diskutiert und verabschiedet. An diesem Mittwoch (21. Juni) geht es im Rechtsausschuss um § 315d StGB „Verbotene Kraftfahrzeugrennen“, einen Gesetzentwurf des Bundesrates (BT-Drs 18/10145). Ich bin dort als Sachverständiger geladen.
In der Tat haben in den letzten Jahren mehrere tödlich verlaufene Rennen im Straßenverkehr (zuletzt in Mönchengladbach) ein starkes Bedürfnis für eine Strafbarkeit angezeigt. Das Problem ist allerdings schon eine Weile bekannt und in der Diskussion.
Es werden voraussichtlich alle Experten darin übereinstimmen, dass das gesetzliche Anliegen legitim ist: Die Teilnahme an Rennen ist bislang als Ordnungswidrigkeit völlig unzureichend erfasst und das hohe Risiko von Unfällen mit schweren Folgen fordert geradezu eine angemessene strafrechtliche Reaktion. Aber im Detail sind einige Fragen offen, die voraussichtlich zu unterschiedlichen Expertenmeinungen führen (Stellungnahmen der Sachverständigen)
Diskussionspunkte sind vor allem folgende:
1. Sollte man die Teilnahme an Kraftfahrzeugrennen im Straßenverkehr tatsächlich als abstraktes Gefährdungsdelikt regeln oder sollte dies besser (in Anlehnung an § 315c StGB) als konkretes Gefährdungsdelikt geschehen? Ich hatte mich bislang unterschiedlich dazu geäußert, siehe hier.
Für die abstrakte Gefährdungsregelung spricht, dass eine Strafbarkeit schon bei Rennbeginn begründet wäre, nicht erst, wenn es zu riskanten Situationen gekommen ist. Allerdings gibt es auch gewichtige Einwände gegen eine solche Regelung (vgl. Stellungnahme Deutscher Anwaltverein).
2. Entsteht möglicherweise eine Strafbarkeitslücke, wenn jemand zwar äußerst riskant fährt, möglicherweise sogar einen schweren Unfall verursacht, ihm aber die Teilnahme an einem Rennen nicht nachzuweisen ist? Die Koalitionsfraktionen haben dieses Problem schon aufgegriffen und haben in letzter Minute einen Änderungsantrag eingebracht: Nun soll § 315d StGB auch den „Einzelraser“ bestrafen. Aber systematisch scheint es unbefriedigend, wenn nun mit der Überschrift „Rennen“ auch Einzelraser gemeint sein sollen.
3. Die „Einzelraser“ verweisen m. E. auf ein viel größeres Problem: Muss nicht angesichts der statistisch viel höheren Unfallzahlen und der ebenso gravierenderen Unfallschäden daran gedacht werden, das zu schnelle Fahren generell strafrechtlich besser zu erfassen? Die Fraktion Bündnis90/Die Grünen hat dazu einen eigenen Entwurf vorgelegt, nach dem in § 315c Abs.1 Nr.2 d) die Worte „an unübersichtlichen Stellen, an Straßenkreuzungen, Straßeneinmündungen oder Bahnübergängen“ gestrichen werden sollen (BT Drs. 18/12558) Auch dieser ist Gegenstand der Anhörung.
Unter Unfallforschern und Verkehrssicherheitsexperten wird seit langem beklagt, dass ausgerechnet das objektiv schwerste Risiko, nämlich die zu hohe Geschwindigkeit, nicht hinreichend strafrechtlich erfasst wird. Ich hatte dazu vor einigen Jahren an einem Forschungsprojekt des UDV (Unfallforschung der Versicherer) teilgenommen und entsprechende Änderungen des § 315c StGB vorgeschlagen (Studie UDV 2011).
Natürlich stehen momentan die Rennen im Fokus der medialen Aufmerksamkeit. Schwere Unfälle auf unseren Straßen werden aber in weit größerem Umfang vom fast alltäglichen „Rasen“ verursacht. Auch wenn die Politik gern auf die spektakuläreren Nachrichten reagiert, meines Erachtens dürfen darüber wichtigere, weniger medienträchtige Anliegen nicht vergessen werden.