Ausschlussfristen und MiLoG
Gespeichert von Prof. Dr. Christian Rolfs am
Nach § 3 Satz 1 MiLoG sind Vereinbarungen, die den Anspruch auf den Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, "insoweit unwirksam". Das wirft die Frage auf, ob Ausschlussfristen (Verfallklauseln), die die schriftliche oder gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb einer bestimmten Frist vorschreiben und hiervon den Mindestlohn nicht ausdrücklich ausnehmen, insgesamt oder nur teilweise unwirksam sind. Eindeutig ist, dass solche Ausschlussfristen für den Mindestlohn nicht gelten, also auch nicht für den "Mindestlohnanteil", der in jeder Arbeitsvergütung - und sei sie noch so hoch - steckt. Da jedenfalls für teilunwirksame Allgemeine Geschäftsbedingungen grundsätzlich das Verbot geltungserhaltender Reduktion gilt, könnte man solche Fristen in Arbeitsverträgen (anders als in Tarifverträgen) für insgesamt unwirksam halten. Andererseits mach § 3 Satz 1 MiLoG mit dem Wort "insoweit" deutlich, dass er die Wirksamkeit vertraglicher Vereinbarungen jenseits des Mindestlohns nicht berühren möchte.
Vor diesem Hintergrund hat das LAG Nürnberg die Klage eines Arbeitnehmers auf Überstundenvergütung abgewiesen, weil diese verfallen waren. Die Parteien hatten im Arbeitsvertrag vereinbart:
Ansprüche beider Parteien aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten ab Fälligkeit schriftlich gegenüber der Gegenseite geltend gemacht werden. Entscheidend ist der Zugang des Schreibens. Nach Ablauf der Frist kann der Anspruch nicht mehr geltend gemacht werden. Lehnt die Gegenseite den Anspruch ab oder äußert sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen ab Zugang der Geltendmachung, so ist der Anspruch innerhalb von weiteren drei Monaten ab Zugang der Ablehnung bzw. Ablauf der Zweiwochenfrist bei Gericht anhängig zu machen. Anderenfalls ist der Anspruch verfallen und kann nicht mehr geltend gemacht werden.
Der Kläger hatte, nachdem die Beklagte seine Ansprüche am 28.9.2015 schriftlich abgelehnt hatte, erst Ende Januar 2016 - und damit nach Ablauf der Drei-Monats-Frist - Klage erhoben.
Das LAG hat die Klageabweisung wie folgt begründet:
Soweit die Klausel etwaige Ansprüche auf Mindestlohn erfasst, ist sie unwirksam. Diese Wirkung umfasst indes nicht die gesamte Klausel, sondern lediglich die Anwendung auf Mindestlohnansprüche. Das Ziel des Gesetzgebers war es u.a., die Arbeitnehmer vor unangemessen niedrigen Löhnen zu schützen. Ein Instrument der Durchsetzungsfähigkeit ist die Regelung des § 3 MiLoG, der den Anspruch auf Mindestlohn sichern und den Arbeitnehmer vor missbräuchlichen Konstruktionen bewahren soll (vgl. BT-Drucksache 18/1558). Dagegen war es nicht das Anliegen des Gesetzgebers, (arbeitsvertragliche) Ausschlussklauseln generell zu unterbinden. Dies ergibt sich aus der eindeutigen Formulierung des Gesetzes. Der Begriff „insoweit“ schränkt die Rechtsfolge ? die Unwirksamkeit einer entsprechenden, den Mindestlohn gefährdenden Regelung ? ein und begrenzt sie auf diesen Fall. Dies entspricht dem am Regelungszweck orientierten Übermaßverbot. Eine andere Auslegung wäre im Hinblick auf das rechtsstaatliche Prinzip der Gewaltenteilung bedenklich. (...)
Nachdem der Gesetzgeber in § 3 MiLoG das Wort „insoweit“ eingefügt hat, ist die Ausschlussfrist nur insoweit unwirksam, wie sie Ansprüche auf Mindestlohn ausschließen würde.
Vorliegend sind Mindestlohnansprüche nicht tangiert. (...)
Der Kläger hat die zugelassene Revision eingelegt.
LAG Nürnberg, Urteil vom 9.5.2017 - 7 Sa 560/16, BeckRS 2017, 114537