Wann kommen die Datenbanken, in denen das Sozialverhalten der Bürger bewertet wird (Bürgerbewertung)?
Gespeichert von Dr. Axel Spies am
Müll nicht sauber getrennt? Minuspunkte. In der U-Bahn gepöbelt? Minuspunkte. Zu viel Alkohol gekauft? Minuspunkte. So etwa könnte die „schöne neue Welt“ einer Bürgerbewertung (Citizen Score) nicht in Deutschland, aber wohl bald in China aussehen.
Bis 2020 will China in Datenbanken das Sozialverhalten der Bürger erfassen. Noch ist nicht klar, welche Daten in diese Bürgerbewertung mit einbezogen werden. Fest steht, dass China schon jetzt durch Kameras und Videoaufzeichnung seine Bürger umfassen überwacht. „Neben den Gesichtserkennungsbrillen gibt es in ganz China über 170 Millionen Kameras mit Gesichtserkennung“, schreibt das WSJ. Die Daten sollen dann ähnlich wie eine landläufige Bewertung der Kreditwürdigkeit bei der Verteilung von Leistungen zur Bewertung herangezogen werden. Zu diesem Zweck könne der Staat auch auf die Online-Shopping-Daten von privaten Anbietern zurückgreifen. Das Risiko, dass damit Dissidenten benachteilig werden, besteht. Schon jetzt haben Personen, die auf der Schwarzen Liste des chinesischen Supreme Peoples Court stehen, Schwierigkeiten Flüge online zu buchen oder einen Internetzugang mit Breitbandverbindung zu erhalten. Denkbar sind auch „messtechnische Lauschangriffe“ beim Smart Metering zum Zwecke der Bürgerbewertung.
So weit sind die Dinge in Europa sicherlich nicht gediehen, obwohl auch in den westlichen Demokratien viele dieser Daten vorrätig und grundsätzlich abrufbar sind. Die DSGVO enthält eine Reihe von Vorschriften zum Profiling, aber es ist nicht grundsätzlich verboten. Für manche Anwendungen wie Fitness Apps oder die Kreditwürdigkeit ist ein Scoring durchaus von den Nutzern gewünscht. Scoring ist gerade bei den Jüngeren aus Videospielen bekannt. „Profiling“ ist nach der DSGVO jede Art der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten, die darin besteht, dass diese personenbezogenen Daten verwendet werden, um bestimmte persönliche Aspekte, die sich auf eine natürliche Person beziehen, zu bewerten (Art. 4 (4)) Zum Beispiel besteht ein Auskunftsrecht der betroffenen Person gemäß Art. 15 (1) (h). Auch das Profiling aus dem Ausland ist durch die DSGVO (Art. 3 (2)) geschützt. Die Frage der Durchsetzbarkeit der DSGVO nach China etc. ist natürlich offen.
Wie schätzen Sie die Gefahren des sozialen Profiling ein? Stimmt die These, dass „soziale Wertungssysteme in Zukunft zum Standard werden“? Könnte es sein, dass solche Bürgerbewertungen bald weltweit z.B. von Servern in China aus angeboten werden? Wird die Debatte um die Schützen bei den Schulmassakern in den USA den Ruf nach einer Bewertung des Sozialverhaltens auch in Demokratien verstärken?