Gesetzliche Pflicht zum „Whistleblowing“ - Gefährdungsanzeige in der Klinik
Gespeichert von Dr. Michaela Hermes, LL.M. am
Wann ist „Whistleblowing“ erlaubt? Zweimal hatte die Asklepios-Klinik vor dem Arbeitsgericht Göttingen eine Niederlage erlitten. Das Gericht: Der Klinikbetreiber darf gegenüber Beschäftigten, die aufgrund Personalmangels die Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz gefährdet sehen und dies dem Arbeitgeber anzeigen, nicht mit einer Abmahnung reagieren.
Die Fälle
Eine Krankenschwester wehrte sich gegen zwei Abmahnungen. Diese hatte sie erhalten, weil sie nach ihrem Dienst auf der Suchtstation der psychiatrischen Klinik eine Gefährdungsanzeige verfasst hatte. Mangels genügend Personals sah sie die Patientenversorgung gefährdet. Sie wies den Klinikbetreiber schriftlich darauf hin. Der mahnte sie ab und weigerte sich die Abmahnungen aus der Personalakte zu entfernen, wie den Mitteilungen in der Fachpresse zu entnehmen ist (Az. des noch nicht veröffentlichten Urteils: 1 Ca 267/17).
Bereits 2016 hielt eine Gesundheits- und Krankenpflegerin den Personalschlüssel in der psychiatrischen Klinik für unzureichend. Sie sollte als Vertretungskraft auf einer offenen Station mit 24 Patienten eingesetzt werden. Lediglich eine Auszubildende war noch anwesend (Az.: 2 Ca 155/17). Die Entscheidung des Arbeitsgerichts überrascht nicht. Die Abmahnungen waren jeweils unzulässig. Sie widersprächen dem Sinn und Zweck des Arbeitsschutzgesetzes. Es bestehe eine gesetzliche Pflicht, dem Arbeitgeber unverzüglich jede Gefahr für die eigene Gesundheit und Sicherheit oder die anderer Personen zu melden (§ 15 bzw. § 16 ArbSchG).
Was sich wie ein lange schwelender Streit zwischen Klinik-Leitung und Gewerkschaft, die den Krankenschwestern den Rücken stärkte, darstellt, gewinnt im Krankenhaus- und Pflegebereich zunehmend an Bedeutung.
Praxishinweise: Gesetzliche Pflicht zum „Whistleblowing“
Eine Gefährdungsanzeige ist wichtig, um den Arbeitgeber über die Überlastungssituation des Arbeitnehmers und die möglichen Risiken und Folgen zu informieren. Der Zeitpunkt zur Abgabe einer solchen Erklärung ist spätestens dann gegeben, wenn die Übersicht über die zu leistende Arbeit verloren gegangen und dem Beschäftigten die Abarbeitung nicht mehr möglich ist. Dabei kommt es nicht auf die objektive Gefährdungslage an. Es reicht, wenn sich die Situation subjektiven für den Arbeitnehmer so darstellt. Arbeitsrechtlich dürfen dem Beschäftigten keine Nachteile drohen (sogenanntes Maßregelverbot § 612a BGB). Der Arbeitgeber darf nicht mit einer Abmahnung reagieren. Eine Gegendarstellung seitens des Arbeitgebers ist gegebenenfalls erlaubt.