§ 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO ist toll! - Meint auch das Kammergericht!
Gespeichert von Carsten Krumm am
Wie bekommt man als Gericht Tatsachen aus den Akten in das Urteil? Klar - vor allem durch Zeugen und Urkunden. Letztere können aber auch Erklärungen enthalten, die eigentlich per Zeugenbeweis einzuführen wären. Das Gesetz ermöglicht es, in § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO derartige Urkunden einzuführen, soweit es sich handelt um
Protokolle sowie in einer Urkunde enthaltene Erklärungen der Strafverfolgungsbehörden über Ermittlungshandlungen, soweit diese nicht eine Vernehmung zum Gegenstand haben
Das ist eine sehr praktische Sache. So können etwa im OWi-Verfahren polizeiliche Vermerke über Beschilderungssituationen oder auch das Messprotokoll urkundsbeweislich eingeführt werden. Im Verkehrsstrafrecht können etwa Antreffsituationen oder Unfalleintreffszenarien aus Sicht der Polizei in Vermerke gefasst und dann verlesen werden. Das KG musste sich jetzt mit dem Thema befassen: Wie weit geht das eigentlich mit der Verlesbarkeit?
Die vom Angeklagten erhobene Verfahrensrüge, mit der er eine Verletzung von § 250 StPO rügt, hat keinen Erfolg. Der Beschwerdeführer meint, dass der Sachstandsbericht eines ermittelnden Kriminalbeamten, in dem der Brandanschlag an sich und Einzelheiten dazu geschildert werden, nicht hätte verlesen werden dürfen. Dies sei auch nicht durch § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO erlaubt. Vielmehr hätte der Kriminalbeamte zeugenschaftlich vernommen werden müssen.
Die Verfahrensrüge ist unbegründet. Die Annahme der Revision, § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO erlaube nur die Verlesung von entsprechenden Schriftstücken über polizeiliche „Routinevorgänge“, trifft nicht zu. Eine solche Einschränkung lässt sich dem Wortlaut der Norm gerade nicht entnehmen. Vielmehr gestattet sie die Verlesung von Protokollen sowie in einer Urkunde enthaltene Erklärungen der Strafverfolgungsbehörden über „Ermittlungshandlungen“. Ebenso wenig ergibt sich eine solche Auslegung aus der Gesetzeshistorie. So heißt es in BT-Drs. 15/1508 S. 26 f., Ziel der Einführung der Vorschrift sei zu einer Entlastung der Strafverfolgungsbehörden und der Hauptverhandlung beizutragen. Zwar werden dann in der Folge beispielhaft bestimmte Routinevorgänge aufgeführt. Doch ist damit keine inhaltliche Eingrenzung verbunden (vgl. BGH NStZ 2016, 301; OLG Celle NStZ 2014, 175). Denn die Motive sprechen in der Folge selbst davon, dass es sich bei den Schriftstücken, deren Verlesung § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO gestattet, (lediglich) „meist“ um routinemäßig erstellte Protokolle handelt. Diese Relativierung belegt, dass die Verlesung anderer Vorgänge durchaus möglich ist (vgl. BGH und OLG Celle a.a.O.). Ebenso wenig sprechen systematische Gründe oder eine teleologische Auslegung für einen Ausschluss aus dem Anwendungsbereich des § 256 Abs. 1 Nr. 5 (vgl. BGH a.a.O.). Etwas anderes gilt ausweislich der Materialien für - hier nicht relevante - Vernehmungsprotokolle (BT-Drs. 15/1508 S. 26). Dies ist folgerichtig und findet seine Entsprechung insbesondere in § 251 StPO, der insoweit grundsätzlich von einem Verlesungsverbot ausgeht.
Soweit die Revision (unter Hinwies auf Velten in SK-StPO § 256 Rdn. 33) weiter meint, dass § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO nur die Verlesung verfahrenseigener Urkunden gestatte, hingegen nicht solcher, die in einem anderen Verfahren erstellt worden seien, trifft auch das nicht zu. Dem Wortlaut der Norm lässt sich eine solche Einschränkung nicht entnehmen. Sie folgt auch nicht aus Sinn und Zweck der Vorschrift. Denn für die zutreffende Schilderung einer Ermittlungshandlung ist es einerlei, ob das betreffende Schriftstück im nämlichen oder in einem anderen Verfahren gefertigt worden ist. Bei Zweifeln hierüber wird der Verfasser ohnehin zeugenschaftlich gehört werden müssen.
KG Berlin, Beschl. v. 18.12.2017 - (2) 161 Ss 104/17 (6/17)