Streit um das Werbeverbot für Abtreibungen
Gespeichert von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg am
Diese Woche verzichtete nach politischem Hickhack die SPD, ihren Gesetzentwurf (BT-Drs 19/1046) zur Streichung des Werbeverbots für Abtreibungen zur Abstimmung zu stellen. Damit erschien mir diese Gesetzesinitiative erledigt. Jetzt soll allerdings als Kompromisslösung die neue Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) einen neuen Gesetzentwurf zur Reform des § 219a StGB vorlegen. Scharf attackiert Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) heute die Gegner des Werbeverbots mit dem Vorwurf, es gehe um ungeborenes menschliches Leben; die Gegner des Werbverbots setzten sich mehr für Tiere als für ungeborene Kinder ein.
Zur Begründung des zurückgezogenen Gesetzesvorwurfes hieß es, der Schwangerschaftsabbruch sei eine medizinische Leistung für Frauen in einer Notlage. Darüber müssten Ärzte sachlich informieren dürfen, ohne sich der Gefahr der Strafverfolgung auszusetzen. Ungewollt schwangere Frauen könnten sich ansonsten nur eingeschränkt darüber informieren, welche Ärzte diese Leistung vornehmen. Das Recht auf freie Arztwahl werde unzumutbar eingeschränkt.
Worum geht es?
Das Amtsgericht Gießen hatte am24.11.2017 (507 Ds 501 Js 15031/15) eine Ärztin aufgrund § 219a StGB verurteilt, die auf ihrer Internetseite allgemeine Informationen zum Schwangerschaftsabbruch sowie zu dessen Durchführung in ihrer Praxis unter Hinweis auf die Kosten gegeben hatte. Gegen das Urteil wurde Rechtsmittel eingelegt, über das meines Wissens noch nicht entschieden ist. Diese erstinstanzliche Verurteilung löste eine heftige Diskussionen aus.
Der fast drei Jahrzehnte währende Streit um das Abtreibungsrecht endete mit der jetzt geltenden Fristenlösung, die darauf beruht, dass dem Abbruch eine Beratung vorangeht, die „dem Schutz des ungeborenen Lebens“ dient, § 219 Abs. 1 S. 1 StGB.
Zur weiteren medialen Diskussion: Aus meiner Sicht sollte zunächst einmal abgewartet werden, wie der Fall der Gießener Ärztin rechtskräftig abgeschlossen wird und ob dann überhaupt rechtliche Defizite im Tatbestand erkennbar werden. Der Fall bietet rechtlich bereits im Tatbestand einige Ansätze für eine erfolgreiche Verteidigung. Deshalb könnte ich mir durchaus vorstellen, dass die vorliegende Verurteilung bereits aus rechtlichen Gründen letztlich nicht hält.
Unabhängig vom Fall: Bedingung der Fristenlösung ist das Beratungsmodell. Diesem widerspräche es, wenn gleichzeitig eine nicht regulierte Werbung für die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen erlaubt werden würde (vgl. BVerfG NJW 1999, 841, 849). Die jetzt angekündigte Kompromisslösung kann aus meiner Sicht allenfalls kleinere Korrekturen am Tatbestand bringen. Mehr erscheint mir mit Blick auf die verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht möglich.
Gleichwohl, ich kann mich täuschen: Die weitere Entwicklung werde ich deshalb im Auge behalten und im Blog berichten.