BAG: Aufhebungsvertrag - Begünstigung eines Betriebsratsmitglieds?
Gespeichert von Prof. Dr. Markus Stoffels am
Eine prozessuale Situation, die man selten sieht: Der Kläger argumentiert, er sei beim Abschluss eines Aufhebungsvertrags unerlaubt begünstigt worden. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger war seit 1983 bei der Beklagten beschäftigt und seit 2006 Vorsitzender des in ihrem Betrieb gebildeten Betriebsrats. 2013 wurde dem Kläger sexuelle Belästigung vorgeworfen, was dieser jedoch bestritt. Anfang Juli 2013 hatte die Beklagte beim Arbeitsgericht unter Berufung auf - vom Kläger bestrittene - verhaltensbedingte Gründe ein Verfahren zur Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers eingeleitet. Am 22. Juli 2013 schlossen die Parteien außergerichtlich einen Aufhebungsvertrag, in dem u.a. die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2015, die Freistellung unter Vergütungsfortzahlung und eine noch im Verlauf des Arbeitsverhältnisses auszuzahlende Abfindung von 120.000,00 Euro netto vereinbart wurde. Nachdem der Kläger am 23. Juli 2013 vereinbarungsgemäß von seinem Betriebsratsamt zurückgetreten und in der Folgezeit die Auszahlung der Abfindung an ihn erfolgt war, reute ihn offenbar sein damaliger Entschluss. Trotz der hohen Abfindung wollte er nun lieber seinen Arbeitsplatz behalten. Mit seiner Klage macht er den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses über den 31. Dezember 2015 hinaus geltend. Er meint, der Aufhebungsvertrag sei nichtig, weil er durch diesen als Betriebsratsmitglied in unzulässiger Weise begünstigt werde. Die Klage blieb beim BAG (Urteil vom 21. März 2018 - 7 AZR 590/16, PM 15/18) wie bereits in den Vorinstanzen - ohne Erfolg. Ausgangspunkt für die rechtliche Beurteilung ist § 78 Satz 2 BetrVG. Hiernach dürfen Mitglieder des Betriebsrats wegen ihrer Betriebsratstätigkeit weder benachteiligt noch begünstigt werden. Vereinbarungen, die hiergegen verstoßen, sind nach § 134 BGB nichtig. Das BAG kommt jedoch zu dem Ergebnis, dass der Kläger durch den Abschluss des gut dotierten Aufhebungsvertrags als Betriebsratsmitglied nicht unzulässig begünstigt werde. Soweit die Verhandlungsposition des Betriebsratsmitglieds günstiger sei als die eines Arbeitnehmers ohne Betriebsratsamt, beruhe dies auf dem in § 15 KSchG und § 103 BetrVG geregelten Sonderkündigungsschutz. Das Ergebnis leuchtet ein und hätte sicherlich auch mit den Gedanken des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) untermauert werden können. Über den konkreten Fall hinaus schafft das BAG Rechtssicherheit für Arbeitgeber, die sich von einem Betriebsratsmitglied im Wege eines Aufhebungsvertrages trennen wollen. Im Hinblick auf den Sonderkündigungsschutz und des damit verbundenen, erhöhten finanziellen Risiko wegen der in Betracht kommenden gerichtlichen Verfahren dürfen Abfindungen deutlich höher ausfallen als bei nicht besonders geschützten Arbeitnehmern.