Gleichheit und Gemeinnützigkeitsrecht
Gespeichert von Prof. Dr. Claus Koss am
Vox populi: "Haben Sie Verständnis für die Entscheidung, vorläufig keine Ausländer als Kunden bei der Essener 'Tafel' aufzunehmen?", fragte das Institut für Demoskopie Allensbach. 61% der rund 1.200 deutschen Beragten von 16 Jahren an antworteten: "Ja" - 20% "Nein" und 19% waren unentschieden (Quelle: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 8. April 2018, S. 21).
L'esprit des Loix: § 51 Abs. 3 AO schließt extremistische Organisationen von den Steuervergünstigungen des Gemeinnützigkeitsrechts aus. Denn die Einstufung von extremistischen Körperschaften als steuerbegünstigte wäre ein Widerspruch in sich (BT-Drks. 16/10189, S. 79f.; BT-Drks. 16/11108, 48). Bereits vor Einführung dieser Regelung durch das JStG 2009 war anerkannt, dass die Vergünstigung der Gemeinützigkeit nicht gewährt werden kann, wenn das Verhalten der Körperschaft auf einen Verstoß gegen die verfassungsmäßige staatliche Ordnung und auf ein Abweichen von den unter der Gesetzestreue stehenden Satzungsbestimmungen hinauslaufen würde (Martini, in: Winheller/Geibel/Jachmann-Michel, Gesamtes Gemeinnützigkeitsrecht, § 51 AO, Rz. 64 unter Hinweis auf BFHE 142, 243 = BStBl II 1985, 106, und BFHE 237, 22 = BStBl. II 2013, 146).
Es ist allgemein anerkannt, dass in der deutschen Rechtsordnung niemand aufgrund seiner Heimat oder Herkunft benachteiligt werden darf (Art. 3 Abs. 3 GG). Diese im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte gehören zum Schutzbereich der freiheitlich demokratischen Grundordnung (§ 4 Abs. 2 Bst. g) Bundesverfassungsschutzgesetz).
Ein Ausschluss von Ausländern, weil sie Ausländer sind, wäre damit ein Verstoß gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung und könnte damit einen Anwendungsfall des § 51 Abs. 3 AO darstellen.
Doch dann kommt das gleiche praktische Problem, das der Generalsuperintendent und Oberhofprediger in Weimar sowie Trauerredner zur Bestattung Johann Wolfgang von Goethes, Johann Friedrich Röhr (1777-1848), beschrieb: Wir können "der Wahrheit und dem Lichte, so viel wir können, Bahn und Raum machen; der Verblendung, dem Laster, der Bosheit steuern, so weit nur immer unser Arm reicht" (Christologische Predigten oder geistliche Reden über das Leben, den Wandel und die Lehre und die Verdienste Jesu Christi, Stuttgart 1833, S. 12).
Oder, um es als Ökonom zu sagen: die Ressourcen auch der Tafeln sind begrenzt. Die in steuerbegünstigten Körperschaften Verantwortlichen müssen also Kriterien finden, wie sie diese verteilen. Oder, um es juristisch zu formulieren: sie müssen sachliche Kriterien finden, warum sie bestimmte Hilfsbedürftige ausschließen und andere bevorzugen? Ein Parallelfall: Einem Krankenhaus wird niemand den Vorwurf der unterlassenen Hilfeleistung machen, wenn alle Betten und Operationssäle belegt sind.
Das Kriterium der Herkunft ist kein sachliches Kriterium, auch die Hautfarbe nicht. Wenn, wie es in der Presse beschrieben wurde, Besucher durch Pöbeleien oder die Belästigung anderer Kunden oder ehrenamtlicher Mitarbeiter negativ auffielen, dann ist im Einzelfall ein Ausschluss gerechtfertigt. Unflätigkeit oder Tätlichkeiten sind aber erfahrungsgemäß keine Frage der Herkunft. Ebenfalls gerechtfertigt sind nach hier vertretener Auffassung Scoring-Modelle. Menschen, die Kinder versorgen müssen, Alte, Kranke und Behinderte können m.E. bevorzugt bei der Tafel versorgt werden. Auch die örtliche Nähe des Wohnorts kann ein Kriterium für eine bevorzugte Versorgung darstellen. Bei der Beurteilung der Bedürftigkeit können sich die ehrenamtlichen Mitarbeiter auf äußere Beweisanzeichen abstützen. Ein neues, wertvolles Mobiltelefon kann dabei ebenso zählen wie die Tatsache, dass jemand mit einem größeren Auto einer gehobenen Preiskategorie vorfährt. Beide Beispiele wurden in den Tagesmedien angeführt.
Ein pauschaler Ausschluss bestimmter Personengruppen verstößt jedoch ebenso gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz wie der Ausschluss aufgrund von Vorurteilen oder 'unguter Gefühle'. Deren Förderung kann nicht mildtätig oder gemeinnützig sein.