EuGH anonymisiert künftig natürliche Personen
Gespeichert von Prof. Dr. Christian Rolfs am
Ach, wie schön voyeuristisch war es doch bisher. Wir wussten, dass "Fräulein Gabrielle Defrenne" am 15.2.1928 geboren wurde, seit dem 10.12.1951 bei der belgischen Fluggesellschaft Sabena als Stewardess beschäftigt war und in mehrfacher Hinsicht schlechter behandelt wurde als ihre männlichen Kollegen - u.a. wurde sie mit 40 Jahren zwangspensioniert, während die Flugbegleiter bis zur Regelaltersgrenze dabei bleiben durften (EuGH, Urt. vom 25.5.1971 - 80/70, Slg. 1971, 445 = BeckRS 2004, 73742 - Defrenne I). Wir wussten, dass Christel Schmidt die Reinigung von Filialen der Spar- und Leihkasse der früheren Ämter Bordesholm, Kiel und Cronshagen oblag und von der Spar- und Leihkasse zur Firma "Spiegelblank" outgesourct worden war (EuGH, Urt. vom 14.4.1994 - C-392/92, Slg. 1994, I-1311 = NZA 1994, 545 - Christel Schmidt). Und wir wussten, dass der bei der Baxter Deutschland GmbH beschäftigte Herr Johann Odar bei der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses eine Sozialplanabfindung in Höhe von 308.253,32 Euro erhalten hatte, aber klageweise weitere 271.988,22 Euro beanspruchte (EuGH, Urt. vom 6.12.2012 - C-152/11, ECLI:EU:C:2012:772 = NZA 2012, 1435 - Odar).
Aus und vorbei. Seit dem 1.7.2018 werden Vorabentscheidungsersuchen, an denen natürliche Personen beteiligt sind, vom EuGH anonymisiert. Das hat der Gerichtshof in einer Pressemitteilung bereits Ende Juni bekannt gemacht.
Damit sowohl der Schutz der Daten von an Vorabentscheidungssachen beteiligten natürlichen Personen als auch die Information der Bürger und die Öffentlichkeit der Justiz gewährleistet werden, hat der Gerichtshof daher für alle ab 1. Juli 2018 anhängig gemachten Vorabentscheidungssachen entschieden, in allen seinen veröffentlichten Dokumenten den Namen der an der Rechtssache beteiligten natürlichen Personen durch Anfangsbuchstaben zu ersetzen. Ebenso werden alle ergänzenden Details, anhand deren die Betroffenen identifiziert werden können, weggelassen. Diese neuen Leitlinien werden für alle Veröffentlichungen im Rahmen der Bearbeitung der Rechtssache von ihrer Einreichung bis zu ihrem Abschluss (Mitteilungen im Amtsblatt, Schlussanträge, Urteile …) sowie für die Rechtssachenbezeichnung gelten. Sie betreffen nicht juristische Personen, denen der Gerichtshof auf ausdrücklichen Antrag einer Partei oder sofern die besonderen Umstände der Rechtssache es rechtfertigen, die Möglichkeit einer Ausnahme vorbehält.
Da werden wir uns wohl umgewöhnen müssen. Denn IR ./. JQ (EuGH C-68/17, anhängiges Verfahren) macht einfach keinen Spaß. Und merken kann man es sich auch nicht.
EuGH, Pressemitteilung vom 29.6.2018