Altes Wissen, das Übersetzer und Übersetzerinnen zuweilen vergessen
Gespeichert von Peter Winslow am
Im Deutschen ist das Wort »Gesellschaft« feminin. Bei juristischen Fachtexten wird daher für Gesellschaften die feminine Form verwendet. Wenn eine Aktiengesellschaft ihre Aktien verkauft, so ist sie kein Verkäufer, sondern eine Verkäuferin. Wenn der Käufer dieser Aktien eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist, so ist diese Gesellschaft nicht der Käufer, sondern die Käuferin. … So wird dies in der Praxis – Vertragsgestaltung, Schriftsätze etc. – überwiegend gehandhabt.
Im Englischen verhält es sich ähnlich. Im Englischen sind Gesellschaften – limited liability companies, corporations und so weiter – weder männlich noch weiblich. Aus diesem Grund ist das richtige Pronomen für eine Gesellschaft »it«. Das heißt, die Gesellschaft ist kein he, she oder they, sondern ein it. … So wird dies auch hier in der Praxis – Vertragsgestaltung, Schriftsätze etc. – überwiegend gehandhabt.
Warum ist dies überhaupt erwähnenswert? Die Antwort: Ich habe das Pech, viele Übersetzungen sehen zu müssen und dabei festgestellt zu haben, dass Übersetzer und Übersetzerinnen dies anscheinend nicht immer wissen. Man sieht nämlich immer wieder nicht nur Übersetzungen ins Deutsche, bei denen Gesellschaften mit dem Maskulinum definiert (»Käufer« etwa, und nicht »Käuferin«) und jeweils als er, ihn, und ihm bezeichnet werden, sondern auch Übersetzungen ins Englische, bei denen Gesellschaften zwar aufgrund der fehlenden Der-Die-Das-Thematik im Englischen richtig definiert (»Buyer«, »Seller« etwa), aber trotzdem als hes, shes oder theys bezeichnet werden.
Im Deutschen ist dies in bestimmten Fällen verständlich; denn auch heute wird das generische Maskulinum noch verwendet, selbst wenn es zu einer (zumindest für mein Empfinden) absurden Situation führt, bei der Frauen auf Papier als Männer behandelt werden dürfen, solange sie im echten Leben von Männern unterschieden und bei Geschäftsvorgängen jeweils geschlechtsdifferenziert mit »Frau« und nicht mit »Herr« angesprochen werden. Es gilt aber: Dass das generische Maskulinum in bestimmten Fällen verständlich ist, stellt längst keinen Grund dar, es bei der Definition einer Firma (die Bezeichnung der »Max Mustermann GmbH« als »Käufer« etwa) zu verwenden. Die grammatikalisch feminine Behandlung eines die-Worts ist simple and good.
Im Englischen ist dies dahingegen überhaupt nicht verständlich. Schauen wir uns folgendes Beispiel an. … Bei einem deutschen Ausgangstext wurde die Ihaveagrammaticallychallengedlawyer GmbH als »Käufer« definiert; der Übersetzer, ein gewisser John Doe aus Kentucky, hat dann »er«, »sein« etc. in Bezug auf den Käufer jeweils mit »he«, »his« etc. übersetzt. Auf die Frage nach der Begründung seiner Übersetzung antwortet John etwa wie folgt: »Im Deutschen stehen die Wörter ›er‹, ›sein‹ etc.; diese sind genauso zu übersetzen: ›he‹, ›his‹ etc.« … Das wäre Überwörtlichkeit pur, die Logik unfehlbar: Wenn die Rede von einem Tisch ist, so müsste man den Satz »Das Buch liegt auf ihm« mit »The book is on him« bzw. den Satz »Er steht in der Ecke« mit »He is in the corner« übersetzen.