BAG zur Benachteiligung wegen der Religion - Fall Vera Egenberger - mit Update 2.11.2018
Gespeichert von Prof. Dr. Christian Rolfs am
Vergangenen Donnerstag (25.10.2018) hat das BAG im Rücklauf des EuGH-Urteils in Sachen "Egenberger" (Urt. vom 17.4.2018 – C-414/16, NZA 2018, 569) der Klägerin eine Entschädigung in Höhe von zwei Monatsgehältern (knapp 4.000 Euro) gemäß § 15 Abs. 2 AGG zugesprochen. Der Beklagte habe die Klägerin wegen ihrer Religion diskriminiert.
Der Beklagte ist ein Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland. Er hatte im November 2012 eine auf zwei Jahre befristete Stelle eines Referenten/einer Referentin (60 %) ausgeschrieben. Gegenstand der Tätigkeit sollten schwerpunktmäßig die Erarbeitung des Parallelberichts zum deutschen Staatenbericht zur Umsetzung der UN-Antirassismuskonvention durch Deutschland sowie Stellungnahmen und Fachbeiträge und die projektbezogene Vertretung der Diakonie Deutschland gegenüber der Politik, der Öffentlichkeit und Menschrechtsorganisationen sowie die Mitarbeit in Gremien sein. Der Parallelbericht sollte in Beratung mit Menschenrechtsorganisationen und weiteren Interessenträgern erstellt werden. In der Stellenausschreibung heißt es:
Die Mitgliedschaft in einer evangelischen oder der ACK angehörenden Kirche und die Identifikation mit dem diakonischen Auftrag setzen wir voraus. Bitte geben Sie Ihre Konfession im Lebenslauf an.
Die konfessionslose Klägerin bewarb sich am 29.11.2012 auf die Stelle. Sie wurde nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Der Beklagte besetzte die Stelle mit einem evangelischen Bewerber.
Der EuGH hatte auf Vorlage des BAG entschieden, dass die Frage, ob die Religion nach der Art der betreffenden Tätigkeiten oder den vorgesehenen Umständen ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos dieser Kirche oder Organisation darstellt, Gegenstand einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle sein muss. Die Anforderung an die Religionszugehörigkeit müsse notwendig und angesichts des Ethos der betreffenden Kirche oder Organisation aufgrund der Art der in Rede stehenden beruflichen Tätigkeit oder der Umstände ihrer Ausübung objektiv geboten sein und dürfe keine sachfremden Erwägungen ohne Bezug zu diesem Ethos oder dem Recht dieser Kirche oder Organisation auf Autonomie umfassen.
Vor diesem Hintergrund ist das BAG zu der Überzeugung gelangt, dass der Beklagte die Klägerin wegen der Religion benachteiligt habe. Diese Benachteiligung sei nicht nach § 9 Abs. 1 AGG gerechtfertigt gewesen. Die berufliche Anforderung rechtfertige die Forderung nach einer evangelischen Religionszugehörigkeit im Streitfall nicht, weil keine wahrscheinliche und erhebliche Gefahr bestand, dass das Ethos des Beklagten beeinträchtigt würde. Der jeweilige Stelleninhaber/die jeweilige Stelleninhaberin sei in einen internen Meinungsbildungsprozess beim Beklagten eingebunden gewesen und habe deshalb in Fragen, die das Ethos des Beklagten betreffen, nicht unabhängig handeln können. In der Höhe hielt das BAG zwei Monatsverdienste als Entschädigung für angemessen.
Mich persönlich überzeugt das Urteil nicht: Gegenstand der vom Beklagten ausgeschriebenen Tätigkeit war im Kern die Anfertigung eines Berichts zur UN-Antirassismuskonvention, der - als Parallelbericht zum offiziellen Bericht der Bundesrepublik Deutschland an die Vereinten Nationen - die Sichtweise und Schwerpunkte der Diakonie (Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V.) darlegen sollte. Gerade weil es sich um einen Parallelbericht handelt, wie er übrigens von vielen Nichtregierungsorganisationen (NGO's) erstellt wird, ist klar, dass er die spezifische Sichtweise der Diakonie darlegen soll. Das erfordert, dass derjenige, der ihn maßgeblich verfasst, mit dem Ethos der Organisation vertraut ist und es auch für sich als verbindlich ansieht. Dasselbe gilt für die Gespräche mit Menschenrechtsorganisationen, Vertretern der Politik, Medien usw. Diese Verbindlichkeit kann nur durch die Mitgliedschaft in der evangelischen Kirche nachgewiesen werden. So wenig, wie man einer Flüchtlingsinitiative zumuten kann, einen solchen Bericht von einem AfD-Mitglied verfassen zu lassen, oder Greenpeace von einem Atommanager, sollte man m.E. von der Kirche und ihren Einrichtungen verlangen, dass sie hierfür eine Atheistin in Betracht ziehen muss.
BAG, Urt. vom 25.10.2018 - 8 AZR 501/14, mit Material der Pressemitteilung
Update 2.11.2018: Die Klägerin, Frau Egenberger, hat mich über einen wichtigen Aspekt des Sachverhalts unterrichtet, der mir bislang nicht bewusst war und den ich hier gerne nachtrage: Der Parallelbericht ist nicht alleine von der Diakonie verfasst worden, sondern von einer größeren Gruppe von Menschenrechtsorganisationen. Daher ist die Sichtweise der Diakonie in den Bericht allenfalls eingeflossen, hat ihn aber nicht bestimmt. - Dies erklärt wohl auch die zwischen @gast und mir bereits diskutierte Passage in der Pressemitteilung des BAG, die jeweilige Stelleninhaberin bzw. der jeweilige Stelleninhaber sei lediglich in einen internen Meinungsbildungsprozess eingebunden gewesen. - Wenn das Urteil veröffentlicht wird, werde ich hier im BeckBlog wieder darüber berichten. Ich danke Frau Egenberger für die Information.