Aktivität für die AfD und Folgen für die Wohnraummiete
Gespeichert von Dr. Michael Selk am
Auf den Punkt gebracht: können politisch aktive AfD-Mitglieder problemlos Wohnraum anmieten? Dies wird man nach einer Entscheidung des AG Göttingen (Urt. v. 24.10.2017, 18 C 41/17, WuM 2017, 702) im Einzelfall hinterfragen müssen.
Das Urteil hat durchaus Bedeutung in einer politisch aufgewühlten Zeit.
Die Parteien schlossen einen Wohnraummietvertrag. Im Vertrag heißt es: „Dem Vermieter ist bekannt, dass der Mieter die Wohnung dauerhaft seinem Sohn zur Nutzung überlässt.“ Kurz nach Beginn des Mietverhältnisses wurde dem Vermieter bekannt, dass es sich beim Sohn des Mieters um einen Aktivisten der „Alternative für Deutschland“ handelt. Im weiteren Verlauf des Jahres 2016 kam es zu Sachbeschädigungen und Brandstiftungen im Bereich des Hauses, etwa auf dort befindlichen Mülltonnen oder auch auf das dort stehende Fahrzeug des Sohnes des Mieters. Diese Taten/Angriffe wurden dem „linken“ bzw. „antifaschistischen“ Lager zugerechnet. Ähnlich gelagerte Aktionen hatte es bereits an einem Haus gegeben, wo der Sohn des Mieters vorher gewohnt hatte.
Die Vermieterin erklärte die Anfechtung des Mietvertrags wegen arglistiger Täuschung und kündigte vorsorglich fristlos, hilfsweise fristgemäß. Das AG gab der Räumungsklage statt.
Nach Auffassung des AG habe der Mieter bei Abschluss des Vertrags arglistig getäuscht, da er die Vermieterin nicht über die politische Gesinnung seines Sohnes und den Umstand, „Zielscheibe“ von Angriffen aus der anderen politischen Szene zu sein, hingewiesen habe. Diese Eigenschaft als „Zweckveranlasser“ hätte der Mieter auch unter Berücksichtigung von Treu und Glauben offenbaren müssen.
In der Berufungsverhandlung vor dem LG Göttingen haben die Parteien sodann einen Vergleich geschlossen.
Die Entscheidung des AG ist - thematisch - von erheblicher Bedeutung. Eine arglistige Täuschung kann bekanntlich auch durch Unterlassen des Mitteilens wichtiger Umstände erfolgen, wie etwa die fehlende Aufklärung über hinreichende Einkünfte nach Abgabe einer Vermögensauskunft gem. § 802c ZPO. Gewiss wird man aus dem Urteil nicht die Verpflichtung eines politisch aktiven Mieters zur Offenbarung seiner Einstellung herleiten können. Allein die AfD-Mitgliedschaft etwa wird im Regelfall keine Aufklärungspflicht auslösen. Dies wird für alle Parteien gelten, die nicht verfassungswidrig gem. Art. 21 II GG und sodann vom BVerfG verboten sind. Auch Mitglieder der NPD haben daher zur Zeit keine Verpflichtung, Vermietern ihre politische Gesinnung zu offenbaren. Gleiches gilt für linksextremistische Parteien. Würde man diese Auffassung vertreten, so hätte dies die weitreichende Konsequenz, dass eine Wohnraumvermietung an solche Personen gar nicht mehr möglich wäre. Dies würde auch der Werteordnung des GG zuwiderlaufen.
Allerdings: im Falle der politischen Aktivität von Mitgliedern insbesondere rechtspopulistischer Parteien dürften die Grenzen fließend sein, vor allem dann, wenn es schon wie in der Göttinger Entscheidung zu Rechtsgutsverletzungen in der Vergangenheit gekommen ist. Konsequenz der Entscheidung könnte durchaus sein, dass die Mietvertragsparteien bei Abschluss des Vertrags über den Punkt politischer Aktivität und etwaige Folgen sprechen sollten – gefühlt eine eigenartige Konsequenz. Abzuwarten bleibt, wie sich die Praxis entwickelt.