Die SPD will Übersetzer und Übersetzerinnen vor Hartz IV retten
Gespeichert von Peter Winslow am
Der Generalsekretär der SPD, Herr Lars Klingbeil, meint, »Es werden bald ganze Branchen verschwinden« und nennt als Beispiel die Übersetzungsbranche. Wörtlich sagt er:
Die [Übersetzer und Dolmetscher] wird es in ein paar Jahren als Dienstleister nicht mehr geben, weil technologische Entwicklung das überflüssig macht. Diesen Menschen muss der Staat eine Garantie geben, dass wir uns um sie kümmern, dass sie nicht innerhalb kürzester Zeit ins Arbeitslosengeld II (ALG II) abrutschen, dass sie nicht Hartz-IV beziehen. Da brauchen wir eine große Reform.
Herr Klingbeil hat Ludwig Wittgenstein wohl nie gelesen. Ansonsten wüsste er: »Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen«. Dies gilt sowohl für philosophische als auch für politische Aussagen. Herr Klingbeil kann deswegen nicht über die Übersetzungsbranche sprechen, weil er offensichtlich keine Ahnung davon hat. Ich weiß nicht, ob er deshalb darüber schweigen muss. Aber er sollte sicherlich solange darüber schweigen, bis er nicht mehr der Meinung ist, dass vage Vermutungen im Hinblick auf die technologische Entwicklung die Überflüssigkeit ganzer Branchen begründen können. Die Vernunft und der stets beim Denken zu beachtende Bestimmtheitsgrundsatz machen seine Meinung überflüssig.
Vielleicht ist dieses Urteil zu hart. Vielleicht liegen Herrn Klingbeil nur die Interessen der Übersetzer und Übersetzerinnen am Herzen. Seine eigenen Worte verraten jedoch, dass dies nicht der Fall sein kann: Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über.* Und bei ihm quillt der Mund vor lauter Schlagwörtern über. Er deckt die ganze Bandbreite von technologischer Entwicklung über staatliche Garantien bis hin zu Arbeitslosigkeit und Hartz IV ab. Herr Klingbeil sollte schon wissen, dass die Interessen einer Branche nicht in der Abdeckung von Schlagwörtern und Panikmache bestehen können – und dass schon gar keine, geschweige denn eine große, Reform auf dieser Basis zu wünschen ist.
Endnote
* Siehe Lukas 6,45 sowie Karl Kraus F 264–65: 4.