BGH und die Schimmelpilzgefahr - zwei Urteile heute
Gespeichert von Dr. Michael Selk am
Am heutigen Tag hat der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in zwei recht ähnlichen Verfahren (VIII ZR 271/17 und VIII ZR 67/18) Urteile des Landgerichts Lübeck teilweise aufgehoben und eines der Verfahren an das Landgericht zur weiteren Sachaufklärung zurückverwiesen.
Anders als die Vorinstanzen ist der BGH der Auffassung, dass die Gefahr von Schimmelpilzbildung in Wohnungen, die zum Zeitpunkt der Errichtung knapp den damaligen Wärmedämmnormen entsprochen haben, keinen Mangel der Mietsache darstellt. Möblieren Mieter ihre Wohnung in zulässiger Weise, indem sie auch große Möbelstücke an die Außenwände stellten, bildete sich dann schnell in der kalten Jahreszeit Schimmelpilz. Also rückten die Mieter die Möbel ab, um dies zu vermeiden.
Diese Gefahr der Schimmelpilzbildung soll nach Auffassung des Senats keinen Mangel der Mietsache darstellen.
Zwar ist die Entscheidung des Senats insofern konsequent als es für die Frage des geschuldeten Standards nach Ansicht des BGH stets auf den Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes ankommen soll und darauf, ob die damals geltenden Normen eingehalten wurden. Jedoch hat der BGH selbst 2004 von diesem Grundsatz eine Ausnahme gemacht, indem er auf das sog. "zeitgemäße Wohnen" abstellte - sei dies nicht möglich, so läge ein Mangel der Mietsache vor. In der heutigen Entscheidung meint der BGH nun, man dürfe auf dieses Kriterium des "zeitgemäßen" Wohnens bei der Frage der Möblierung nicht abstellen; es habe sich damals um einen Ausnahmefall gehandelt. Völlig offen bleibt aber nach heute, wo die Grenze der Relevanz des Kriteriums des "zeitgemäßen" Wohnens sein soll.
Zudem - und darauf ging der Senat in der Urteilsbegründung nicht ein - entspricht der Zustand der Gebäude in der Regel nicht ansatzweise mehr dem Zustand zur Zeit der Errichtung: mittlerweile wurden z.B. neue, viel dichtere Kunststofffenster eingebaut, die die alten - undichteren - Holzfenster ersetzten, so den Luftaustausch verminderten und die Schimmelpilzgefahr erhöhten. Auch ist die Beheizbarkeit der Wohnungen nicht mehr die aus der Anfangszeit: Ende der 60er/Anfang der 70er Jahre liefen die Heizkörper nachts "durch" (es gab keine Nachtabsenkung) und die Vorlauftemperaturen waren viel höher als heute. Auf diese Faktoren waren die alten Wohnungen noch ausgerichtet: nun aber hat sich das Wohnklima durch diverse Eingriffe so verändert, dass der damalige "Standard" zur Zeit der Errichtung aufgehoben wurde. Anders ist es kaum zu verstehen, dass sich in einer Vielzahl von Wohnungen heute anders als 1969 nun plötzlich Schimmelpilz findet.
Schließlich hält der Senat es auch durchaus für zumutbar, wenn man am Tag dreimal täglich auf Stoß für 10 Minuten lüften muss, um Schimmelpilz zu vermeiden. Der Senat hatte in der mündlichen Verhandlung angedeutet, es sei gerichtsbekannt, dass Feuchtigkeit nur bei Anwesenheit der Mieter produziert werde. Damit verwarf man das Argument, bei konsequenter Anwendung des dreimaligen Stoßlüftens müssten Berufstätige nicht extra deshalb ihren Arbeitsplatz verlassen, um nach Hause zwecks Lüftens zu fahren, um dann zum Arbeitsplatz zurückzukehren.
Auch hierzu wird man die Entscheidungsgründe abwarten müssen. Abzuwarten bleibt auch, ob der Senat in den Urteilsgründen noch Dinge anspricht, die in der heutigen mündlichen Verhandlung (leider) nicht erörtert wurden.