IHK muss auch in eigenen Angelegenheiten genau sein
Gespeichert von Prof. Dr. Claus Koss am
Wer zahlt schon gerne Pflichtbeiträge? - Einigen Unternehmen waren die Beiträge zur Industrie- und Handelskammer ein derart großes Ärgernis, dass sie bis zum Bundesverfassungsgericht zogen - allerdings ohne Erfolg. Denn die Pflichtmitgliedschaft und damit verbunden die Pflicht zur Zahlung von Beiträgen ist verfassungskonform (https://community.beck.de/2017/08/21/ihk-pflichtbeitraege-kein-erfolg-fuer-verfassungsbeschwerden).
Für teilweise rechtswidrig erachtete das Oberverwaltungsgericht Niedersachsen aber Beitragsbescheide der Industrie- und Handelskammern Lüneburg-Wolfsburg für 2011, 2014, 2015 und 2016 sowie der IHK Braunschweig für 2016 (OVG Niedersachsen, Urteile vom 17.09.2018 - 8 LB 128/17 [BVerwG 10 C 8.18], 8 LB 129/17 [BVerwG 10 C 9.18], 8 LB 130/17 [BVerwG 10 C 7.18]). Nach Ansicht der Richter/innen in Lüneburg verstießen die zugrunde liegenden Wirtschaftssatzungen gegen haushaltsrechtliche Vorschriften. Damit sei die darauf aufbauende Beitragserhebung rechtswidrig. Hauptkritikpunkt war der Verstoß gegen den sog. Grundsatz der Schätzgenauigkeit. Im Haushalt müssen zu erwartende Einnahmen und Ausgaben möglichst realitätsnah geschätzt werden. Die beklagten Kammern hatten Ausgleichsrücklagen gebildet, um Schwankungen auszugleichen. Die dazu angewandten Schätzungsmethoden seien aber ungeeignet bzw. in sich widersprüchlich gewesen. Zweiter wesentlicher Kritik: Die Eröffnungsbilanz sei ohne ausreichenden sachlichen Grund geändert worden.
Den Entscheidungen des OVG Niedersachsen ist schon aus grundsätzlichen Erwägungen heraus zuzustimmen. Die Pflicht zur Zahlung eines Zwangsbeitrags korrespondiert mit dem Anspruch, 'nicht über Gebühr zur Kasse gebeten' zu werden.
Nachdem gegen alle drei Urteile Revision eingelegt wurde, muss jetzt das Bundesverwaltungsgericht entscheiden.
Darüber hinausgehend stellt sich aber die Frage, warum dem für die Rechtsaufsicht über die IHK Lüneburg-Wolfsburg bzw. IHK Braunschweig zuständigen Niedersächsischen Wirtschaftsministerium die rechtswidrigen Wirtschäftspläne und damit Beitragssatzungen nicht aufgefallen sind? Denn die IHKs in Niedersachsen unterliegen der Aufsicht durch das Niedersächsische Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung (§ 6 Abs. 1 Nds AG IHKG i.V.m. § 10 IHKG). Die Bildung von Ausgleichsrücklagen bzw. Änderung der Eröffnungsbilanz sind nach hier vertretener Einschätzung Sachverhalte, die bei der Genehmigung der entsprechenden Beschlüsse der Vollversammlung (§ 11 Abs. 2 IHKG) auffallen müssen. Im Rahmen der Aufsicht hätte das Ministerium auf rechtskonforme Satzungen drängen müssen, dadurch wäre ein Rechtsstreit zu vermeiden gewesen.