Das Ende guter Rechtsberatung in Wohnraummietsachen?
Gespeichert von Dr. Michael Selk am
An anderer Stelle habe ich in dieser Woche zum Thema Qualität der Rechtsberatung eine düstere Perspektive abgeliefert und zwar im Editorial der NJW, Heft 5. Hier für die online Leser nochmals der Text:
https://rsw.beck.de/rsw/upload/NJW/Editorial_5-2019.pdf
Nach meiner Ansicht wird sich das Wohnraummietrecht zu einer teuren Materie für Spezialisten entwickeln, die für den "Normalbürger" (wer immer das ist) bald nicht mehr zu bezahlen sein wird. Immer mehr Fachanwälte im Miet- und Wohnungseigentumsrecht vor allem in Großstädten und Ballungszentren spezialisieren sich auf das gewerbliche Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht bei immer höher werdenden Stundensätzen. Dabei bleiben die Interessen des "Normalbürgers" auf der Strecke, der sich ggf. bald anwaltlich nur noch an einen "Generalistenkollegen" wenden kann.
Bei twitter hat sich dazu eine lebhafte Diskussion entwickelt. So wird unter anderem entgegengehalten, dass Mieter sich sehr wohl gut bei Mietervereinen beraten lassen können, wo sie gute und effiziente Rechtsberatung erhielten. Auch seien die legal tech - Instrumente eine gute Möglichkeit, Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Im Hinblick auf die Mietervereine ist mein Eindruck unterschiedlich. Insbesondere in wohnraumknappen Ballungszentren bzw. Großstädten machen diese in der Regel gute Arbeit, sind allerdings auch massiv überlastet. Oft fehlt leider auch die Prozesserfahrung des beratenden Personals. Der Verweis auf die dortige Gruppenrechtsschutzversicherung hilft oft nicht weiter, da diese viele Ansprüche der Mieter nur äußerst restriktiv deckt (z.B. werden Deckungsanfragen für Kostenvorschussansprüche regelmäßig abgelehnt). Auch sind viele Instrumente des legal tech mittlerweile stark verbessert und helfen gewiss insbesondere bei Fragen der Mieterhöhung bzw. Mietpreisbremse weiter. Hochkomplizierte Eigenbedarfskündigungen jedoch mit schwierigen Prognosen für die Beweisaufnahme oder Mängelprozesse etwa wegen Schimmelpilzbildung sind Verfahren, in denen m.E. ein Computer bei seiner Eintschätzung im Regelfall versagt.
Klar ist auch, dass andere Rechtsbereiche von der sich verdichtenden Zweiklassengesellschaft ebenso betroffen sind: man denke nur an die Praxis der Bestellung "weicher" Pflichtverteidiger im Strafprozess oder an die klassischen Verbraucherfälle (Handyverträge usw), auch dort ist aufgrund des geringen Streitwertes das Interesse an einer Mandatsübernahme oft sehr gering. Besondere Beachtung verdient das Wohnraummietrecht indes dennoch: der Verlust einer Wohnung bedeutet für den Mieter den Eingriff in ein Grundrecht, Art. 14 I 1 GG (auch der Besitz fällt bekanntlich unter den Schutzbereich des Eigentumsgrundrecht), mit in der Regel ganz gravierenden Folgen.