Geltung des MiLoG für ausländische Spediteure?
Gespeichert von Prof. Dr. Christian Rolfs am
Seit dem Inkrafttreten des MiLoG 2015 ist umstritten, ob das Gesetz auch für ausländische Spediteure gilt, deren Kraftfahrer auf ihrem Weg quer durch Europa Deutschland passieren. Die Spediteure sehen neben den eigentlichen Lohnkosten des MiLoG vor allem die bürokratischen Herausforderungen auf sich zukommen, wenn sie für ihre Fahrer bei jedem Grenzübertritt die nationalen Mindestlohnvorschriften einschließlich der jeweiligen (und jeweils unterschiedlichen) Dokumentationspflichten einzuhalten hätten. Eine einzige LKW-Fahrt von Lettland nach Portugal (über Litauen, Polen, Deutschland, Belgien, Frankreich und Spanien) könnte leicht einen ganzen Aktenordner füllen.
Die Spediteure berufen sich vor allem auf das EuGH-Urteil "Mazzolini" (EuGH, Urt. vom 15.3.2001 - C-165/98, Slg. 2001, I-2189 = NZA 2001, 554), in dem es heißt, die Anwendung von Mindestlohn-Vorschriften könne sich "als unverhältnismäßig erweisen, wenn es sich um Beschäftigte eines Unternehmens mit Sitz in einer grenznahen Region handelt, die einen Teil ihrer Arbeit in Teilzeit und für kurze Zeiträume im Hoheitsgebiet eines oder mehrerer anderer Mitgliedstaaten als desjenigen erbringen müssen, in dem das Unternehmen seinen Sitz hat". Der Oberste Gerichtshof Österreichs hat für einen Taxifahrer, der von Salzburg aus Fahrgäste zum Flughafen München transportiert, die Geltung des deutschen MiLoG abgelehnt (OGH, Urt. vom 26.11.2016 - 9 ObA 53/16h, NZA-RR 2017, 180).
Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg hält diese Ausnahme bei internationalen Speditionen nicht für einschlägig und steht auf dem Standpunkt, dass das MiLoG anzuwenden sei:
Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg hat mit zwei Urteilen vom 16. Januar 2019 (Aktenzeichen 1 K 1161/17 und 1 K 1174/17) Klagen polnischer Speditionen gegen die Geltung des Mindestlohngesetzes zurückgewiesen und damit zugleich die Kontrollbefugnisse der Zollbehörden gegenüber nur vorübergehend im Inland tätigen Transportunternehmen bestätigt.
Das Mindestlohngesetz ordnet an, dass Arbeitgeber mit Sitz im In- oder Ausland verpflichtet sind, ihren im Inland beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ein Arbeitsentgelt mindestens in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns zu zahlen. Die umstrittene Frage, ob das auch dann gilt, wenn die Tätigkeit im Inland nur kurze Zeit andauert, wie das bei ausländischen Fernfahrern der Fall sein kann, bejahten die Cottbuser Richter. Aus ihrer Sicht verstößt die Pflicht zur Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns weder gegen Europarecht noch gegen Verfassungsrecht.
Das Gericht hat die Revision gegen die Urteile zugelassen.
FG Berlin-Brandenburg, Urt. vom 16.1.2019 - 1 K 1161/17 und 1 K 1174/17 (Pressemitteilung)