In Schule geht‘s nicht nur um Deutsch & Mathe, sondern auch um Betragen, Fleiß, Mitarbeit, Ordnung
Gespeichert von Sibylle Schwarz am
Das Sächsische Oberverwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 30. April 2019 - 2 B 442/18 – (Pressemitteilung vom 7. Mai 2019) entschieden, dass Jahreszeugnisse der Klasse 9 der Oberschule Noten für Betragen, Fleiß, Mitarbeit und Ordnung, sog. Kopfnoten, enthalten dürfen.
Ein Schüler in Sachsen, der im Schuljahr 2017/2018 die Klasse 9 einer Oberschule besucht hatte, beantragte, das Landesamt für Schule und Bildung zu verpflichten, ihm vorläufig ein Jahreszeugnis ohne die Erwähnung von Kopfnoten auszustellen. Die Oberschule in Sachsen umfasst die Klassenstufen 5 bis 10, sie vermittelt eine allgemeine und berufsvorbereitende Bildung.
Das in 1. Instanz befasste Verwaltungsgericht Dresden hatte in einem Beschluss vom 20. November 2018 - 5 L 607/18 – dem Antragsteller Recht gegeben. Der parlamentarische Gesetzgeber selbst habe über wesentliche Eingriffe in Grundrechte zu entscheiden. Kopfnoten sah es als wesentlich für das Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG an. Und der sächsische Landtag habe in seinem Schulgesetz keine Vorschrift zu den sog. Kopfnoten geschaffen.
Das Sächsische Oberverwaltungsgericht meinte: „Zwar wird hierdurch die verfassungsrechtlich garantierte Freiheit der Berufswahl und der Wahl der Ausbildungsstätte des betroffenen Schülers insofern berührt, als Jahreszeugnisse der Klasse 9 üblicherweise bei Bewerbungen um einen betrieblichen Ausbildungsplatz oder um die Aufnahme in eine weiterführende Schule vorgelegt werden.“
Dem kann nicht vollends gefolgt werden. Üblicherweise wird das Halbjahreszeugnis, das im Januar/Februar ausgehändigt wird, für eine Bewerbung entweder um einen Schulplatz in einer Oberstufe / weiterführenden berufsbildenden Schule oder um einen Ausbildungsplatz verwendet. In dem Zeitpunkt, in dem nämlich das Jahreszeugnis ausgegeben wird – Beginn der Sommerferien -, sind die Platzvergaben der Schulen und Ausbildungsbetriebe längst abgeschlossen. Dass im Zeugnis ausgewiesene Noten für Betragen, Fleiß, Mitarbeit und Ordnung für den weiteren Weg eines jungen Menschen Bedeutung haben (können), ist indes vorstellbar.
Das OVG entschied im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes: „Nach der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Wesentlichkeitstheorie muss der Gesetzgeber die für die Ausübung der Grundrechte wesentlichen Entscheidungen selbst treffen. Indessen sind Kopfnoten, anders als etwa das leistungsbedingte Ausscheiden aus der Schule wegen wiederholter Nichtversetzung, nach Auffassung des 2. Senats für den weiteren Berufs- und Lebensweg des Schülers weniger bedeutsam als die Leistungsnoten. Der Gesetzgeber durfte die Entscheidung über die Aufnahme der Kopfnoten in die Schulzeugnisse deshalb der Schulverwaltung überlassen.“ Dies wird durch Formulierungen im Gesetz wie etwa „die oberste Schulaufsichtsbehörde wird ermächtigt, die näheren Voraussetzungen durch Rechtsverordnung zu regeln“ umgesetzt.
Das Bundesland Hessen beispielsweise regelt bereits in seinem Landes-Schulgesetz die Bewertung der Leistungen und des Arbeits- und Sozialverhaltens. In den Absätzen des § 73 finden sich gewissermaßen „Rahmen-„Vorschriften zur Beurteilung des Arbeits- und Sozialverhaltens. In der hessischen Verordnung zur Gestaltung des Schulverhältnisses (VOGSV) sind dann dazu die Details geregelt, § 27.
Das bevölkerungsreichste Bundesland Nordrhein-Westfalen trifft auch direkt in seinem Landes-Schulgesetz Aussagen zum Arbeits- und Sozialverhalten, wonach „Ferner können nach Entscheidung der Versetzungskonferenz Aussagen zum Arbeits- und Sozialverhalten aufgenommen werden. Die Schulkonferenz stellt Grundsätze zu einer einheitlichen Handhabung der Aussagen auf.“, § 49.
Allerdings regelt NRW: „Die Aufnahme der Fehlzeiten und der Aussagen zum Arbeits- und Sozialverhalten entfällt bei Abschluss und Abgangszeugnissen.“ Wie aber bereits festgestellt wurde, wird ein Abschlusszeugnis um den Beginn der Sommerferien herum ausgehändigt. Bewerbungen mussten mit dem zuvor ausgegebenen Halbjahreszeugnis (Zeugnis am Ende des Schulhalbjahres) schon erfolgt sein. Dies ist rechtstechnisch kein Abschluss- und kein Abgangszeugnis und enthält somit Aussagen zum Arbeits- und Sozialverhalten.
Die vom Staatsministerium für Kultus erlassene Schulordnung oder die Grundsätze der Schulkonferenz aufgrund schulgesetzlicher Ermächtigung – die Bundesländer regeln in unterschiedlichen Formen, wer „Kopfnoten“ und in welcher Weise beurteilen darf. Schulzeugnisse enthalten neben Noten in den Fächern zulässigerweise auch Aussagen zum Arbeits- und Sozialverhalten - oder auch mit den Tugenden Betragen, Fleiß, Mitarbeit und Ordnung umschrieben.