Regensburger Verfahren um Vorteilsannahme/Vorteilsgewährung: Verteidiger der Hauptangeklagten fordern Freispruch
Gespeichert von Prof. Dr. Henning Ernst Müller am
Im Regensburger Verfahren um Vorteilsannahme bzw. -gewährung haben inzwischen die Verteidiger der beiden Hauptangeklagten, des Oberbürgermeisters W. (im Folgenden OB) und des Immobilienunternehmers T., plädiert.
Dieser Beitrag befasst sich mit dem Komplex „Parteispenden als Vorteilgewährung/Vorteilsannahme“, und zwar primär mit den rechtlichen Schlussfolgerungen zu diesem Anklagepunkt. Sowohl im Prozess als auch in den Plädoyers wurden intensiv die Vorwürfe „(angeblich) günstiger Sparkassenkredit für T.“, „Kapitalerhöhungen SSV Jahn“, „Renovierungskosten Ferienhaus und Wohnung des OB“ sowie „(angeblich) rabattierte Wohnungsverkäufe“ erörtert. Nach gelegentlichen Besuchen in der Hauptverhandlung, der Berichterstattung zum Prozess und nach den Plädoyers habe ich Zweifel, ob diese Tatkomplexe jeweils so, wie sie in der Anklage beschrieben wurden, in der Beweisaufnahme hinreichend belegt werden konnten. Um einen eigenen Kommentar dazu abzugeben hätte ich aber die gesamte Hauptverhandlung verfolgen müssen.
Den Plädoyers der Verteidigung vorangegangen war ein staatsanwaltliches Plädoyer, das in einer als eklatant angesehenen Strafforderung von jeweils 4 Jahren und 6 Monaten für die beiden Hauptangeklagten mündete (dazu mein vorangegangener Beitrag).
In den Plädoyers der Verteidigung spielte die staatsanwaltliche Argumentation und Strafforderung natürlich eine prominente Rolle. Zudem stellten die Verteidiger noch einmal die im Verlauf der Hauptverhandlung zutage getretenen Verfahrensfehler im Ermittlungsverfahren heraus. Ein weiterer Vorwurf an die Staatsanwaltschaft bestand darin, sie habe die sich aus der Beweisaufnahme ergebenden Zweifel an der Tatsachengrundlage nicht hinreichend berücksichtigt (dazu hier der Podcast der Mittelbayerischen Zeitung).
Zur rechtlichen Frage, zu der ich auch zuvor schon hier im Blog Stellung genommen habe (hier), nämlich ob die Parteispenden als Vorteile für den OB im Sinne der §§ 331 ff. bewertet werden können, haben Staatsanwaltschaft und Verteidiger diametral verschiedene Rechtsansichten geäußert.
Laut Staatsanwaltschaft sind an die 500.000 Euro, verteilt über mehrere Jahre seit 2011, aus der Richtung des T. als Spenden an den OB geflossen. Bis zu seiner Wahl zum Oberbürgermeister im Jahr 2014 war dieser schon als dritter Bürgermeister Amtsträger. T. habe seine Spenden indirekt und damit verschleiert geleistet, indem er Verwandte und Mitarbeiter jeweils dazu gebracht habe, jeweils knapp unter der Veröffentlichungsschwelle an den vom Angeklagten OB kontrollierten Ortsverein der SPD zu spenden, der den Wahlkampf maßgeblich organisierte. Auch wenn die Spenden indirekt über die Konten der Mitarbeiter/Verwandten des T. geleistet worden seien, seien sie tatsächlich Teile von Großspenden des T. Diese Spenden seien im Rahmen einer Unrechtsvereinbarung geflossen, deren Gegenstand gewisse „Gegenleistungen“ des gewählten OB beinhaltet hätten, also z.B. die Bevorzugung dieses Bauunternehmers bei dessen geplanten bzw. künftigen Bauprojekten. Für die Staatsanwaltschaft ergibt sich daraus der Vorwurf der Bestechung/Bestechlichkeit (§§ 332, 334 StGB), unabhängig davon, ob die getroffenen Entscheidungen bzw. Diensthandlungen des OB im Ergebnis rechtswidrig seien – schon der Einfluss auf die Ermessensentscheidung genüge insofern (§ 332 Abs. 3 Nr. 2 StGB). Das Gericht hat allerdings den Vorwurf von Bestechung/Bestechlichkeit nicht zum Hauptverfahren zugelassen, so dass es nur noch um Vorteilsgewährung /Vorteilsannahme geht.
Für die Verteidigung (Zusammenfassung der Plädoyers auf Regensburg-Digital hier und hier, im Newsblog Mittelbayerische Zeitung sowie - kostenpflichtig - hier und hier) handelt es sich bei den Parteispenden um eine legale Vorgehensweise. T. habe seine Mitarbeiter und Verwandte lediglich gebeten bzw. ihnen empfohlen, aus ihrem eigenen Vermögen an die Partei des OB zu spenden (siehe näher schon meinen früheren Beitrag). Es seien dies daher keineswegs Großspenden des T., die aufgeteilt („gestückelt“) worden seien, sondern es handele sich um eine Vielzahl von jeweils einzeln zu bewertenden Spenden. Dies sei nach dem Parteiengesetz zulässig, was die Verteidigung auch durch ein – bisher allerdings nicht öffentliches – Gutachten meines Münchener Kollegen Saliger zu belegen suchte.
In der Tatsachenbewertung gehen diese Vorträge insofern auseinander, als nach der Staatsanwaltschaft letztlich T. der Spender sei und die Beträge den Mitarbeitern ersetzt wurden, während die Verteidigung davon ausgeht, die Spenden stammten tatsächlich aus dem Vermögen der Mitarbeiter/Verwandten, so dass sie „Spender“ seien; eine Rückerstattung seitens des T. habe es nicht gegeben. Wie das Gericht dies nach der Beweisaufnahme sieht, ist eine offene Frage, die ich hier nicht beantworten kann.
Ich habe hier im Blog schon zuvor vertreten, dass es – anders als im Hinblick auf das Parteiengesetz – für die Vorteilsgewährung/Vorteilsannahme nicht darauf ankommen muss, aus wessen Vermögen die Spenden letztlich stammten. Denn auch wenn T. einigermaßen zuverlässig dafür „sorgen“ konnte, dass für den OB erkennbar aus Richtung des T. insgesamt hohe Summen an diesen flossen, wäre dies ein Vorteil im Sinne der §§ 331, 333 StGB. Das Parteiengesetz, in dem es um die Zulässigkeit und Transparenz von Parteispenden geht und das Korruptionsstrafrecht, in dem es um die Beeinflussung von Amtsträgern geht, haben unterschiedliche Funktionen und sind deshalb in der Bewertung nicht kongruent, sprich: Auch eine zulässige Parteispende kann ein Vorteil im Sinne des § 331 StGB sein. Der von der Verteidigung mit einem entlastenden Gutachten beauftragte Münchener Professorenkollege Saliger schrieb dazu (zusammen mit Sinner) in seiner Besprechung der Kremendahl I - Entscheidung (BGHSt 49, 275) in NJW 2005, 1073 f. Beck-Online, kostenpflichtig:
„Nach Beseitigung dieser Einschränkungen durch das Korruptionsbekämpfungsgesetz ergibt sich für die Vorteilsannahme und –gewährung durch Parteispenden Folgendes: Zunächst können Parteispenden, die ein Amtsträger zur Weiterleitung an seine Partei erhält, unproblematisch als Drittvorteile subsumiert werden […] Ferner unterfallen den Tatbeständen der §§ 331 I, 333 I StGB auch die früher straflosen Parteispenden an einen Amtsträger zwecks Sicherung seiner allgemeinen Geneigtheit im Dienst […] „Für die Dienstausübung“ erfolgt auch diejenige Parteispende, die beim Amtsträger ein allgemeines dienstliches Wohlwollen mit Gefälligkeitspotential zu Gunsten des Spenders erzeugen soll. Das entspricht dem Willen des Gesetzgebers und dem Rechtsgut der Bestechungsdelikte, nämlich dem Schutz der Lauterkeit und Sachlichkeit der Amtsführung bzw. des Vertrauens der Allgemeinheit in diese.“
Dass es hier trotz aus ihrer Sicht zulässiger Parteispenden im Hinblick auf die §§ 331, 333 StGB heikel werden könnte, haben die Verteidiger des OB und des T. durchaus berücksichtigt und haben argumentiert, dass die Parteispenden im konkreten Fall dennoch keine Vorteile im Sinne der §§ 331, 333 StGB darstellten.
Der Strafverteidiger des OB meinte, die Zulässigkeit der Zahlungen als Parteispenden sei zumindest ein Indiz dafür, dass keine Vorteilsannahme vorliege. Auch sei die Rechtsprechung des BGH überholt, die in „Kremendahl I und II“ noch definiere, wann eine Spende ein unberechtigter Vorteil sei. In der neueren Regelung des § 108e Abs. 4 StGB seien (zulässige) Parteispenden insgesamt privilegiert, und dies solle auch für Spenden für den Wahlkampf des OB gelten. Da in einer Stadt wie Regensburg nie auszuschließen sei, dass ein OB künftig mit Spendern seiner Partei zu tun habe, sei es ihm sonst gar nicht mehr möglich, überhaupt Spenden anzunehmen, ohne einen „Anschein der Käuflichkeit“ zu wecken. Das Gericht solle daher rechtsfortbildend die Kremendahl II-Rspr. des BGH überdenken. Das ist wohl so zu verstehen, dass nach Ansicht des Verteidigers zulässige Parteispenden allgemein aus dem Vorteilsbegriff ausscheiden sollten.
Die Verteidigung des T. argumentierte, aus Sicht ihres Mandanten T. habe es sich nicht um seine Spenden gehandelt, sondern um zulässige Parteispenden der Verwandten und Mitarbeiter und damit um deren Grundrechtsausübung. Zwar lasse die Kremendahl II Rspr. noch Raum für eine Verurteilung wegen Vorteilsgewährung bei zulässigen Parteispenden, jedoch sei Kremendahl ein anders gelagerter Einzelfall. Eine Rechtsfortbildung, wie sie die Verteidigung des OB vorgeschlagen habe, sei deshalb nicht nötig, denn im vorliegenden Fall fehle es schon an der Unrechtsvereinbarung hinsichtlich einer konkreten Diensthandlung des OB, die damit beeinflusst werden sollte.
Wie sind diese Argumente der Verteidiger zu bewerten? Im Folgenden meine Auffassung zu dieser Frage:
Zur Beurteilung muss man den Ausgangspunkt der Kremendahl-Entscheidungen berücksichtigen: Diese Entscheidungen stellen im Vergleich zum Gesetzeswortlaut keine zusätzliche Belastung dar, sondern eine Privilegierung von Amtsträgern, die sich im Wahlkampf um ein Amt befinden. Nach dem durch das Korruptionsbekämpfungsgesetz von 1997 verschärften Wortlaut des § 331 StGB dürfte kein Amtsträger irgendwelche Vorteile „für die Dienstausübung“ fordern, annehmen oder sich versprechen lassen (siehe schon oben und eingehend zum Begriff der Dienstausübung Saliger/Sinnen in NJW 2005, 1073 [1075 f.]). Der BGH hat in den Kremendahl-Entscheidungen diese Strenge des § 331 StGB für Amtsträger unter der Voraussetzung reduziert, dass es sich um „Wahlkampfspenden“ handelt: Die Annahme/Gewährung von Wahlkampfspenden sei erst dann strafbar, wenn sich die Unrechtsvereinbarung – ähnlich der Bestechlichkeit – auf konkrete Diensthandlungen beziehe (wie konkret diese sein muss, wird in Kremendahl I und II unterschiedlich definiert).
Beide Verteidiger wollen diese Kremendahl-Rechtsprechung nicht etwa für unanwendbar erklären, sondern sie wollen sie ausdehnen bzw. ausdehnend interpretieren.
Zwar sind in § 108e Abs.4 Nr.2 StGB zulässige Parteispenden (nicht nur Wahlkampfspenden) allgemein privilegiert. Allerdings gilt § 108e StGB eben nur für Abgeordnete und nicht für Amtsträger. Die Abgeordneten des Bundestages haben § 108e StGB gerade deshalb abweichend von § 331 StGB gestaltet, weil sie nicht mit Amtsträgern gleichgestellt werden wollten. Übrigens wurde der ganze § 108e StGB nur deshalb (nach vielen Jahren skandalösen Aufschubs) eingeführt, weil es internationalen Druck gab, auch Abgeordnete in ein modernes Korruptionsstrafrecht einzubeziehen (vgl. dazu meinen Aufsatz "Handlung im Auftrag oder auf Weisung" - Anmerkungen zur Normgenese des § 108e StGB in der FS für Heintschel-Heinegg, 2015, S. 325-336 sowie meine Kommentierung des § 108e StGB im Münchener Kommentar zum StGB). Die internationalen Vereinbarungen gegen Korruption sehen nämlich keinerlei Privilegierung der Abgeordneten vor. Es spricht deshalb nichts dafür und es widerspräche sogar eklatant dem Willen des Gesetzgebers, wenn nun die gesetzliche Privilegierung der Abgeordneten bei der Annahme von Parteispenden per Rechtsfortbildung generell auf alle Amtsträger übertragen werden sollte.
Schon die erste Kremendahl-Entscheidung wurde teilweise dahingehend kritisiert, sie bereite der Korruption ein Schlupfloch, woraufhin die Lockerung in Kremendahl II wieder etwas zurückgenommen wurde. Auch wenn der Verteidiger des OB vielleicht zu recht eine gewisse „Heuchelei“ beklagt: In der derzeitigen Rechtspolitik zur Korruption, die auch international skeptisch betrachtet wird, spricht nichts dafür, dass die Korruptionsvorschriften durch den Gesetzgeber oder durch die höchstrichterliche Rechtsprechung (des BGH) demnächst noch einmal gelockert werden, eher im Gegenteil.
Der Verteidiger des T. argumentierte, es gebe ohnehin keine Unrechtsvereinbarung hinsichtlich konkreter Diensthandlungen, so dass auch bei Anwendung der Kremendahl-Rechtsprechung sein Mandant straflos gehandelt habe. Dem ist entgegenzuhalten, dass jedenfalls hinsichtlich der Spenden, die nach dem Wahltag an den vom OB kontrollierten Ortsverein geleistet wurden, die Kremendahl-Rechtsprechung nicht greift, denn diese bezieht sich ja nur auf „Wahlkampfspenden“, nicht allgemein auf Parteispenden. Nur Spenden im bzw. für den Wahlkampf sollen privilegiert sein, weil sonst Amtsträger bei der Wahl benachteiligt seien. Mit dieser Begründung wäre es unvereinbar, auch Spenden an einen Amtsträger, die erst nach der Wahl geleistet werden, ebenfalls als privilegiert anzusehen. Auch die Annahme, im vorliegenden Fall seien Kosten des Wahlkampfs mit weiteren „Wahlkampfspenden“ nachträglich aufgefangen worden, zieht hier wohl nicht. Mit einer solchen Konstruktion würde nämlich ein Einfallstor für Vorteilsgewährungen geschaffen, die dann regelmäßig als Spenden für (frühere oder künftige) Wahlkämpfe deklariert werden könnten. Selbst wenn man der Verteidigung also dahingehend folgt, die Spenden bis zum Wahltag blieben nach Kremendahl II straflos, weil keine konkreten Diensthandlungen damit beeinflusst werden sollten, kann dies nach meiner Auffassung nicht für die Vorteile gelten, die erst nach der OB-Wahl im März 2014 versprochen oder gewährt bzw. angenommen wurden.
Ergänzung/Klarstellung am 5.6.2019 (auf Nachfrage eines Lesers): Ich habe hier lediglich rechtliche Ausführungen zum obj. Tatbestand der §§ 331, 333 StGB gemacht, soweit dazu von StA und Verteidigung plädiert wurde. Die Erfüllung des subj. Tatbestands insb. hinsichtlich einer evtl. Unrechtsvereinbarung habe ich hier nicht besprochen. Dass dies eine schwierige Beweisfrage bleibt, habe ich bereits in meinem vorherigen Beitrag erörtert.
Update 26.06.2019 (nach den Schlussworten der Angeklagten):
Gestern haben die vier Angeklagten ihr Schlusswort gehalten; ich war im Gerichtssaal und habe zugehört. Über den Verlauf und die Inhalte der "letzten Worte" geben Regensburg Digital und der Newsblog der Mittelbayerischen Zeitung jeweils detailliert Auskunft; das Schlusswort des angeklagten OB in ist hier im Wortlaut veröffentlicht. Der angeklagte OB hat, wie auch sein Verteidiger schon (siehe ersten Kommentar unter diesem Beitrag) Stellungnahmen von Strafrechtsprofessoren kritisiert; damit sind wohl v.a. dieser Blog und meine gelegentlichen Interviewäußerungen gemeint.
Es gibt Juristen, bei denen ist das anders. Wie bei meinem Studium der Politikwissenschaften im Vergleich mit der realen Tätigkeit in der Politik, habe ich auch bei den zahlreichen Äußerungen von Strafrechtsprofessoren, die zwar meistens niemand nach ihrer Meinung gefragt hatte, aber die offensichtlich einen besonderen Geltungsdrang verspüren, sich öffentlich zu äußern, immer wieder den Eindruck, dass die Wissenschaft im Zweifelsfall mit dem, was in einer Hauptverhandlung wirklich passiert und worum es in solchen Verhandlungen in Bezug auf einzelne Existenzen geht, nicht viel zu tun hat. Und ähnlich, wie bei Politikwissenschaftlern, so ist es offensichtlich auch bei manchen Strafrechtlern in der Wissenschaft, dass die eigene Bedeutung durch öffentliche Verlautbarungen hervorgehoben werden muss.
Meine Äußerungen werden als ungefragt (OB) bzw. "inakzeptabel" (Strafverteidiger Witting im unten an erster Stelle stehenden Kommentar) bezeichnet und mir als Motiv "Geltungsdrang"unterstellt, bzw. ich wolle mein "Profil in der Öffentlichkeit (...) schärfen" (Strafverteidiger Witting). Inhaltliche Kritik an meinem Beitrag wurde nicht vorgetragen; der Vorwurf, ich wisse im Zweifelsfall nicht was in einer Hauptverhandlung wirklich passiert, ist einfach lächerlich, da ich in etlichen Rollen (Zuhörer, Pressevertreter, Angeklagter, Referendar der Verteidigung, der StA und in einer Strafkammer) schon sehr viele Stunden an Hauptverhandlungen teilgenommen habe, auch an dieser. Abgesehen davon ist es für eine strafrechtliche Analyse nicht erforderlich, die Haupverhandlung mitzuerleben. Die Revisionsrichter des BGH verbringen auch keinen Tag in der Hauptverhandlung, deren rechtliches Ergebnis sie ggf. zu beurteilen haben.
Ich kenne solche Anwürfe schon aus der Zeit des Mollath-Verfahrens, in dem mir ebenfalls unverschämte Einmischung vorgeworfen wurde, ebenso schon im Fall Tennessee Eisenberg, in dem ich für die Nebenklagevertretung Stellung genommen habe. Ich wurde/werde fast wöchentlich von verschiedenen Medien gefragt, ob ich zu diesem Verfahren Stellung nehmen könne, auch schon vor Beginn der Hauptverhandlung. Meist lehn(t)e ich solche Anfragen ab. Dass es die einzige akzeptable Rolle für einen Rechtswissenschaftler sei, den Ausgang eines öffentlichen Verfahrens abzuwarten, bevor er die rechtlichen Fragen kommentiert, ist schlicht falsch. Man vergleiche aus neuester Zeit die rechtswissenschaftliche Diskussion zum Kudamm-Raser-Prozess, zum Strafverfahren in Sachen VW, zum NSU-Prozess, zum Verfahren gegen Hoeness, Kachelmann, Loveparade etc. pp. Manchmal bitten mich gerade Strafverteidiger, ihren aktuellen "Fall" im Blog zu behandeln, da sie für ihren Fall eine größere (Fach-)Öffentlichkeit wünschen, natürlich auch in der Hoffnung, ich werde ihre Sichtweise teilen.
Fakt: Es gibt eine solche Zurückhaltungspflicht für Professoren weder in der Theorie noch in der Praxis: Gerade in diesem Verfahren hat die Verteidigung einen meiner Münchener Kollegen mit einem Gutachten beauftragt. Das ist ihr gutes Recht. Es ist deshalb geradezu ein Eigentor, mir eine Stellungnahme zu den rechtlichen Grundlagen als "inakzeptabel" untersagen zu wollen. Als ich in vorherigen Beiträgen in mehreren Fällen der Verteidigung zugestimmt habe (bzgl. des Verstoßes gegen das fair-trial-Gebot durch die fehlerhafte Durchführung der TKÜ und bei der "Stückelung" des Verfahrens), hat sich übrigens weder die Verteidigung noch der OB meines Wissens über meine Kommentierung beschwert.
Zum Vorwurf, ich wolle v.a. mein Profil schärfen oder leide unter Geltungsdrang: In der Öffentlichkeit stehende Menschen haben alle mehr oder weniger (auch) das Motiv sich in der Öffentlichkeit gut darzustellen, das gilt jedenfalls auch für diejenigen, die mir dies hier öffentlich vorwerfen. Ich halte dies nicht für ein valides Argument gegen meine Äußerungen hier oder gegenüber der Presse, der ich mich nie aufgedrängt habe. Vor allem habe ich diese für Regensburg bedeutsame öffentliche Hauptverhandlung kommentiert, weil sie mich nicht nur unter rechtswissenschaftlichen Aspekten interessiert, sondern auch als direkt betroffener Bürger dieser Stadt. Das gilt unabhängig vom Ausgang des Verfahrens: Treffen die Vorwürfe zu, dann habe ich offenbar eine falsche Wahlentscheidung getroffen; treffen sie nicht zu, wurde der von mir gewählte Oberbürgermeister zu Unrecht indirekt von der StA aus dem Amt entfernt, auch dies wäre ein ungeheurer Skandal.
Ich habe immer Wert darauf gelegt, meine Stellungnahmen so abzugeben, dass sie keine Vorwegnahme des Prozessergebnisses darstellten. Ich würdige keine Beweise, sondern beschränke mich auf die rechtliche Würdigung zu Einzelthemen, auch unter Berücksichtigung der Darstellung der Verteidigung, wobei ich immer den subjektiven Tatbestand offen gelassen habe. Jede/r Richter-in weiß, dass Jurist-inn-en unterschiedliche Rechtsmeinungen haben. Selbst wenn das Gericht meine Stellungnahmen liest, halte ich es für unabhängig genug, sich ein eigenes Bild zur Rechtslage zu machen. Die Richter-innen werden - lege artis - zu den Zweifelsfragen ohnehin auch rechtswissenschaftliche Kommentare und Aufsätze lesen und natürlich auch das von der Verteidigung eingebrachte rechtswissenschaftliche Gutachten.
Update 27.06.2019
Überraschend wird es am Montag noch einmal zurück in die Hauptverhandlung gehen. Der angeklagte Bauunternehmer hatte in seinem letzten Wort im Plauderton angegeben, der OB habe ihm wegen der Qualität seines Angebots gesagt, ihr müsst nicht so viel spenden, ihr bekommt das Grundstück auch so. Der angeklagte OB wolle zur Vermeidung von Fehlinterpretationen eine ergänzende Erklärung zur Sache abgeben, heißt es nun. Bericht MZ, Bericht regensburg_digital