Die "verschärfte Mietpreisbremse" - oder hätte man es lassen sollen? Ein Jahr danach.
Gespeichert von Dr. Michael Selk am
Im Dezember 2018 hatte der Gesetzgeber nach langen Verhandlungen die Regelungen über die "Mietpreisbremse" (§§ 556d ff BGB) geändert. Insbesondere Mieterverbände hatten die faktische Bedeutungslosigkeit der neuen Normen beanstandet, so dass die GroKo sich auch unter dem Druck der Öffentlichkeit gehalten sah, nachzubessern - der Bundesrat sprach von "Verschärfung".
Nun, nach über einem Jahr, ist festzustellen, dass die damals von vielen prophezeite Wirkungslosigkeit der Änderungen (vgl. etwa Artz/Börstinghaus, NZM 2019, 24f; Selk, NJW 2019, 329ff) eingetreten ist. Zu vielen der der neuen Normen gibt es bis heute noch nicht einmal veröffentlichte Entscheidungen der Amts- oder Landgerichte.
So hatte der Gesetzgeber z.B. in § 6 WiStrG einen bußgeldrechtlichen "Entmietungstatbestand" eingeführt, wonach z.B. störende Baumaßnahmen, die nicht notwendig sind und den Mieter dazu veranlassen sollen, zu kündigen, zu einer Geldbuße bis zu 100.000 Euro geahndet werden können. Einigen Anfragen bei Hamburger, Berliner und Münchner Amtsgerichten in den letzten Wochen dazu haben ergeben, dass nicht einmal ein laufendes Verfahren wegen eines Verstoßes gegen diese Norm bekannt sei (teilweise gab man offen zu, von dieser Vorschrift noch nie etwas gehört zu haben).
Aber auch die eigentlich auf die Mietpreisbremse abzielenden zivilrechtlichen "Verschärfungen" etwa zur Rügepflicht in § 556g II BGB - eine einfache Rüge der überhöht gezahlten Miete genügt nun statt der zuvor notwendigen Begründung - , die Sanktion bei verspäteter Auskunft in § 556g Ia S.3 - der Vermieter darf sich nun zwei Jahre lang nicht mehr auf die erhöhte Miete berufen - usw. spielen in der Praxis praktisch - nur Berlin mag eine Ausnahme darstellen - keine Rolle. Vielmehr haben sich die Gerichte zunächst einmal überhaupt erst mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob die nach den jeweiligen Rechtsverordnungen der Länder festgelegten Gebiete, für die die "Bremse" gelten soll, überhaupt wirksam verkündet worden sind - dies war in fast allen Bundesländern nicht der Fall (was, am Rande erwähnt, angesichts der offenkundigen Mängel kein Ruhmeslicht auf die jeweils zuständigen Ministerien wirft).
Unabängig von alledem: wie seinerzeit schon kritisiert, ist die "Hemmschwelle" des Mieters, kurz nach Abschluss des Mietvertrags an den Vermieter heranzutreten, um dort schlechte Stimmung zu machen, noch immer viel zu hoch. Und, auch das ist keine neue Kritik, in vielen Städten und Gemeinden um die Millionenstädte herum gibt es keine Mietspiegel, so dass gerade in den jeweiligen Speckgürteln von Berlin, Hamburg oder München z.B. die Mieter gar nicht wissen, wie hoch die ortsübliche Miete überhaupt ist.
Will man wirklich eine "Mietpreisbremse" - und nicht eine Regelung, die durch zahlreiche Kompromisse in einer Regierungskoaliton nicht zu einer Nullwirkung führt - , dann kann sie konsequent nur wie folgt aussehen:
1. Die Rügepflicht in § 556g II BGB ist ersatzlos zu streichen.
2. Die Auskunft über die Vormiete ist durch den Vermieter obligatorisch und durch Nachweis einer geschwärzten Kopie des Vormietvertrags stets (in den Gebieten, in denen die Rechtsverordnung greift) zu erteilen (vgl. etwa LG Berlin, Urt. v. 26.6.2019, 65 S 55/19, BeckRS 2019, 13985 m. krit. Anm. v. Bub/Pramataroff, FD-MietR 2019, 419518 zur angeblichen Verpflichtung des Vermieters zur Vorlage einer geschwärzten Kopie des Vormietvertrags, den entgegenstehenden historischen Willen des Gesetzgebers verkennend).
3 . Den Ländern und Kommunen müssen hinreichende finanzielle, personelle und sachliche Mittel zur Verfügung gestellt werden, um zügig in vielen Städten und Gemeinden Mietspiegel zu erstellen.
Wie gesagt: wenn man eine Mietpreisbremse wirklich will, dann muss man sie auch einführen, nicht aber einen Schritt vorgehen und zwei zurück. Sonst sollte der Gesetzgeber es einfach lassen. Normen, die das Mietrecht verwirren und verkomplizieren, hat vor allem das Wohnraummietrecht schon genug.