Coronapandemie: Neuerungen im Wohnungseigentumsrecht
Gespeichert von Dr. Oliver Elzer am
In den nächsten Tagen wird wohl ein Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Vereins-, Genossenschafts- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der Infektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus in Kraft treten. Sein § 6 (Entwurf) soll sich Wohnungseigentümergemeinschaften widmen. Eine Formulierungshilfe hat mich heute E-per Mail erreicht. In der Formulierungshilfe, deren Validität sich von hier aus nicht prüfen lässt, heißt es:
(1) Der zuletzt bestellte Verwalter im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes bleibt bis zu seiner Abberufung oder bis zur Bestellung eines neuen Verwalters im Amt. (2) Der zuletzt von den Wohnungseigentümern beschlossene Wirtschaftsplan gilt bis zum Beschluss eines neuen Wirtschaftsplans fort.
Zur Begründung für § 6 (Entwurf) im Allgemeinen wird zurzeit angegeben, aufgrund der durch den SARS-CoV-2-Virus ausgelösten Situation sei die Durchführung von Eigentümerversammlungen derzeit vielfach nicht möglich. Bei größeren Gemeinschaften sei die Zusammenkunft der Wohnungseigentümer häufig schon aufgrund behördlicher Anordnungen nicht gestattet. Auch stünden vielerorts geeignete Räumlichkeiten nicht zur Verfügung.
Befürchtet wird daher, dass die Amtszeit des bestellten Verwalters in dem Zeitraum enden wird, in dem die Durchführung einer Versammlung nicht möglich ist. § 6 Abs. 1 (Entwurf) sehe daher abweichend von § 26 Abs. 1 WEG vor, dass der zuletzt bestellte Verwalter bis zu seiner Abberufung oder bis zur Bestellung eines neuen Verwalters im Amt bleibe. Die Vorschrift solle sowohl für den Fall gelten, dass die Amtszeit des Verwalters zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vorschrift bereits abgelaufen ist, als auch für den Fall, dass sie erst danach ablaufe (die Amtszeit ende im Übrigen mit der Abberufung des Verwalters oder der Bestellung eines neuen). Stellungnahme: Während der zweite Fall wahrscheinlich erstmals Ende 2020 virulent wird, aber richtig geregelt ist, ist der erste Fall mehr als fraglich. Denn dann bliebe eine Person nicht Verwalter, sondern würde es gemacht. Das ist nicht dogmatisch kaum erklärbar und wird vom Wortlaut des § 6 Abs. 1 (Entwurf) – „bleibt … im Amt“ – auch nicht abgedeckt. Es ist auch keine Fiktion, sondern die Begründung eines privaten Amtes. Das geht wohl zu weit.
§ 6 Abs. 2 (Entwurf) soll die Finanzierung der Gemeinschaft auch in den Fällen sicherstellen, in denen eine Fortgeltung des Wirtschaftsplans nicht beschlossen worden sei. Über die Abrechnung sei dagegen zu beschließen, sobald die Versammlung wieder zusammentreten könne. Soweit die Abrechnung als Zahlenwerk insbesondere für steuerliche Zwecke erforderlich sei, sei sie den Wohnungseigentümern allerdings schon zuvor zur Verfügung zu stellen (wie denn? sind die Abrechnungsunterlagen gemeint?). Stellungnahme: Die Fiktion zur Fortgeltung des Wirtschaftsplans ist notwendig. Sie ist aber keinesfalls ausreichend. Zwar wird in der Formulierungshilfe für Notlagen auf die Bestimmungen der § 27 Abs. 1 Nr. 3 und § 21 Abs. 2 WEG hingewiesen. Die Rechte, die das Gesetz einem Verwalter oder einem Wohnungseigentümer einräumen, werden dabei leider aber wohl überschätzt (siehe, zu dem, was rechtlich möglich ist, etwa Hügel/Elzer, 2. Aufl., WEG § 27 Rn. 33). Ins Auge zu nehmen ist indes die Bestimmung des § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 WEG. Danach ist der Verwalter berechtigt, für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und mit Wirkung für und gegen sie Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung eines sonstigen Rechtsnachteils erforderlich sind. Es ist wenig diskutiert, dürfte aber gar nicht fernliegend sein, dass § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 WEG damit jegliches auf die Wohnungseigentumsanlage bezogenes Verhalten des Verwalters während der Coronapandemie erlaubt. Denn § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 WEG bezweckt es, ein rasches Handeln zu ermöglichen. Der Verwalter soll befugt sein, ohne Einschaltung der Wohnungseigentümer das Notwendige zu tun (Hügel/Elzer, 2. Aufl., WEG § 27 Rn. 107; siehe jetzt auch https://vdiv.de/download/ac5os255jndh9r82f6g836m1hav/M%C3%83%C2%A4rz_202...).
Neben diesen Änderungen hätte der abgedachte Art. 240 § 1 Abs. 1 EGBGB (Entwurf) Bedeutung erlangen können. Danach sollte das Recht bestehen, Leistungen zur Erfüllung eines Anspruchs, der im Zusammenhang mit einem Vertrag steht, der vor dem 8. März 2020 geschlossen wurde, bis zum 30. September 2020 zu verweigern, wenn der Schuldner infolge von Umständen, die auf die Ausbreitung der Infektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus (SARS-CoV-2-Virus-Pandemie) zurückzuführen sind, die Leistung nicht erbringen kann oder die Erbringung der Leistung nicht möglich wäre ohne Gefährdung seines angemessenen Lebensunterhalts oder des angemessenen Lebensunterhalts seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen oder der wirtschaftlichen Grundlagen seines Erwerbsbetriebs. Verstünde man – wie es z. B. der EuGH tut (EuGH, Urteil v. 8.5.2019 – C-25/18, NJW 2019, 2991 Rn. 30) – das von einem Wohnungseigentümer geschuldete Hausgeld als eine Vertragsschuld, könnte danach auch ein Wohnungseigentümer unter den genannten Voraussetzungen die Zahlung des Hausgelds verweigern. Jetzt heißt es dort aber wohl, der Verbraucher habe das Recht, Leistungen zur Erfüllung eines Anspruchs, der im Zusammenhang mit einem Verbrauchervertrag steht, der ein Dauerschuldverhältnis ist und vor dem 8. März 2020 geschlossen wurde, bis zum 30. Juni 2020 zu verweigern, wenn dem Verbraucher infolge von Umständen, die auf die Ausbreitung der Infektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus (COVID-19-Pandemie) zurückzuführen sind, die Erbringung der Leis-tung ohne Gefährdung seines angemessenen Lebensunterhalts oder des angemessenen Lebensunterhalts seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht möglich wäre. Hier wird man das Hausgeld kaum hinsortieren können.