Schriftliches Verfahren (§ 128 Abs. 3 ZPO): Neben- ist immer Hauptforderung!
Gespeichert von Dr. Oliver Elzer am
Eine Entscheidung kann nach § 128 Abs. 3 ZPO ohne mündliche Verhandlung ergehen, wenn nur noch über die Kosten oder Nebenforderungen zu entscheiden ist. Der Einschub „oder Nebenforderungen“ beruht auf dem Gesetz zur Regelung der Wertgrenze für die Nichtzulassungsbeschwerde in Zivilsachen, zum Ausbau der Spezialisierung bei den Gerichten sowie zur Änderung weiterer prozessrechtlicher Vorschriften vom 12.12.2019 (BGBl. I 2019, 2633).
In den Materialien heißt es dazu wie folgt: „Nach der Regelung in § 128 Abs. 3 ZPO-E sollen die Gerichte nicht nur dann, wenn nur noch über die Kosten zu entscheiden ist, sondern auch in Fällen, in denen lediglich noch eine Entscheidung über Nebenforderungen (insbesondere Zinsen) aussteht, ohne mündliche Verhandlung entscheiden können. Hierdurch soll im Interesse der Parteien eine schnellere und kostengünstigere Erledigung des Rechtsstreits sowie zugleich eine Entlastung der Gerichte ermöglicht werden. Da Nebenforderungen in der Regel für die Parteien von untergeordnetem wirtschaftlichem Gewicht sind, erscheint eine obligatorische mündliche Verhandlung nach § 128 Abs. 1 ZPO verzichtbar.“
Was sind nun Nebenforderungen? BeckOK ZPO/von Selle, 1.3.2020, ZPO § 128 Rn. 16 meint, die Definition sei in § 4 ZPO zu finden. Die anderen Kommentatoren schweigen – soweit erkennbar. In einem allerersten Ansatz dürfte von Selle zu folgen sein (allerdings wäre auch § 43 GKG zu nennen). Die Materialien selbst nennen als Beispiel Zinsen. Dies gilt aber nur im Grundsatz. Denn eine Forderung ist keine Nebenforderung iSv § 4 Abs. 1 Hs. 2 ZPO bzw. § 43 Abs. 1 GKG (mehr), wenn sie zur Hauptforderung geworden ist (BGH BeckRS 2011, 2156 Rn. 5). Das ist der Fall, wenn und soweit der Hauptanspruch, auf den sich die Nebenforderungen beziehen, ganz oder teilweise nicht mehr Gegenstand des Rechtsstreits ist (BGH BeckRS 2012, 9458 Rn. 5; Elzer, in: Hartmann/Toussaint, GKG § 48 Anh. II (§ 4 ZPO Rn. 13)). So kann es etwa sein für Zinsen (BGH BeckRS 2013, 16719 Rn. 2), für Rechtsanwaltskosten, nach einem Schuldanerkenntnis nach § 307 ZPO oder nach der Erledigung des bisherigen Hauptanspruchs (Elzer, in: Hartmann/Toussaint, GKG § 48 Anh. II (§ 4 ZPO Rn. 13)).
So kann es aber nicht bei § 128 Abs. 3 ZPO sein! Denn hier ist immer nur über die Kosten oder Nebenforderungen zu entscheiden. Die Neben- ist also grundsätzlich die Hauptforderung. Wäre die Rechtsprechung zu § 4 Abs. 1 Hs. 2 ZPO bzw. § 43 Abs. 1 GKG anwendbar, käme man zu dem kuriosen Ergebnis, dass § 128 Abs. 3 ZPO keinen Anwendungsbereich hätte. Das kann aber nicht gewollt sein. Beispiel: Klagt der Kläger und Berufungskläger in der ersten Instanz nicht zuerkannte Zinsen ein, ist der Anwendungsbereich des § 128 Abs. 3 ZPO eröffnet, obwohl die Zinsen die Hauptforderung sind. Die Zinsen wären zwar nur Nebenforderung, wenn auch der Beklagte Berufung einlegt und sich gegen die Hauptforderung wendete (BGH BeckRS 2013, 16719 Rn. 2). Dann aber ist § 128 Abs. 3 ZPO gerade nicht anwendbar.