Verbot von Werkverträgen in der Fleischindustrie?
Gespeichert von Prof. Dr. Christian Rolfs am
Vor dem Hintergrund der im Zusammenhang mit dem Corona-Ausbruch in einer Fleischfabrik in Rheda-Wiedenbrück bekannt gewordenen Arbeits- und Lebensumstände der dort im Rahmen von Werkverträgen Beschäftigten beabsichtigt die Bundesregierung, einen Gesetzentwurf zum Verbot von Werkverträgen in der Fleischindustrie in den Deutschen Bundestag einzubringen. Das hat das Bundeskabinett am 29.7.2020 beschlossen. Der Gesetzentwurf beinhaltet folgende Eckpunkte:
- In der Fleischindustrie sollen ab dem 1. Januar 2021 Werkverträge und ab dem 1. April 2021 auch Zeitarbeit verboten werden: Schlachtung, Zerlegung und Fleischverarbeitung dürfen in Zukunft nur noch von eigenem Stammpersonal des Inhabers vorgenommen werden. Für das Fleischerhandwerk soll diese Regelung nicht gelten.
- In der Arbeitsstättenverordnung wird künftig bestimmt, wie die Gemeinschaftsunterkünfte zur Unterbringung von Arbeitnehmern ausgestattet sein müssen, auch abseits des Betriebsgeländes.
- Um die Arbeitnehmerrechte im Arbeits- und Gesundheitsschutz zu sichern, sollen die Arbeitsschutzbehörden der Länder Betriebe häufiger kontrollieren.
- Mit Ausnahme des Fleischerhandwerks müssen Arbeitgeber in der Fleischindustrie den Beginn und das Ende der täglichen Arbeitszeit ihrer Belegschaft elektronisch aufzeichnen. Die Geldbußen sollen bei Verstößen auf 30.000 Euro erhöht werden.
(hier auf den Seiten der Bundesregierung)
Wissenschaftlich begleitet wurde der Gesetzentwurf durch ein Rechtsgutachten von Prof. Dr. Olaf Deinert, Göttingen, das dieser für das nordrhein-westfälische Arbeitsministerium erstattet hat. Das Gutachten ist hier verfügbar und kommt zu folgenden Ergebnissen:
Die durch die Kontrollbehörden festgestellten Missstände beim Einsatz von Werkverträgen in der Fleischindustrie rechtfertigen ein sektorales Verbot von Werkverträgen und Arbeitnehmerüberlassung durch ein Direktanstellungsgebot für die Fleischindustrieunternehmen:
- Der Gesetzgeber darf das Direktanstellungsgebot wählen, um drohende schwere Schäden für Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer in den Schlachthöfen der Fleischindustriedurch das Auseinanderfallen von Betriebsorganisation und Personalverantwortung abzuwenden. Im Rahmen seines Beurteilungsspielraums darf er davon ausgehen, dass mildere Mittel nicht zur Verfügung stehen. Dies rechtfertigt einen Eingriff nicht nur in die Berufsfreiheit der Schlachthofbetreiber, sondern auch in die Berufsfreiheit der Werkvertragsunternehmen und eventueller Verleihern. In Bezug auf Werkvertragsunternehmen ist die Maßnahme zudem zur Effektuierung vertraglicher Rechte der betroffenen Arbeitnehmer gerechtfertigt.
- Da Gefährdungen der Arbeitnehmerrechte durch Betriebsorganisation ohne Personalverantwortung in anderen Branchen bislang nicht in vergleichbarem Ausmaß bekannt geworden sind, darf die gesetzliche Regelung auf Betriebe der Fleischindustrie beschränkt bleiben. Das ist im Sinne des Prinzips der Verhältnismäßigkeit sogar geboten.
- Die Gründe, die entsprechende sektorale Werkvertrags-und Arbeitnehmerüberlassungsverbote vor Art. 12 Abs. 1 GG rechtfertigen, sind auch zwingende Gründe des Allgemeininteresses, die eine Beschränkung der unionsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit rechtfertigen. Dadurch sind sie auch mit der Dienstleistungsrichtlinie und der Leiharbeitsrichtlinie vereinbar.