OLG Hamm ist nett zu den Tatrichter*innen
Gespeichert von Carsten Krumm am
Natürlich ist es schon sehr fahrlässig, die Urteilsabsetzungsfrist bis zum letzten Tage auszunutzen. Die erinnerungen an die Hauptverhandlung und Einzelheiten der Beweisaufnahme werden ja nicht besser. Aber: Man darf als Richter die Absetzungsfrist ausnutzen. Das OLG Hamm musste sich gerade mit einem solchen Fall befassen. Und es war entsprechend der h.M. großzügig:
Die in zulässiger Weise erhobene Rüge des § 338 Nr. 7 StPO ist nicht begründet.
Für die Wahrung der Frist im Sinne des § 275 StPO kommt es nicht darauf an, wann das fertiggestellte Urteil auf der Geschäftsstelle niedergelegt worden ist. Es genügt vielmehr, dass das fertiggestellte Urteil vor Fristablauf auf den Weg dorthin gebracht worden ist, insbesondere, dass es mit oder ohne Akten im Dienstzimmer des Richters zum Abtrag bereitgelegt wird (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl., § 275 Rdnr. 7 m.w.N.). Der Senat ist im Wege des Freibeweises (vgl. hierzu Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 275 Rdnr. 18) zu der Überzeugung gelangt, dass das fertiggestellte Urteil am 11.12.2017, also am letzten Tag der genannten Frist, von der Vorsitzenden der kleinen Strafkammer auf den Weg zur Geschäftsstelle gebracht worden. Dafür spricht nicht nur, dass die Zustellungsverfügung der Vorsitzenden am 11.12.2017 gefertigt worden ist, sondern auch der Umstand, dass diese in ihrer dienstlichen Äußerung mitgeteilt hat, an diesem Tag im Gericht anwesend gewesen zu sein. Dies konnte sie anhand ihres Dienstkalenders nachvollziehen, aus dem sich ergab, dass sie an diesem Tag Hauptverhandlungen durchgeführt hat.
Oberlandesgericht Hamm, Beschl. v. 9.7.2020, 4 RVs 35/20