LAG Baden-Württemberg: Kündigung eines Kochs in einer evangelischen Kita wegen Kirchenaustritts ist unwirksam
Gespeichert von Prof. Dr. Markus Stoffels am
Kündigungen kirchlicher Mitarbeiter wegen Loyalitätsverstößen, insbesondere wegen Kirchenaustritts, kommen zwar mitunter noch vor, sind indes nach meiner Beobachtung seltener geworden. Entsprechende Fälle stoßen dann allerdings auf breites Medienecho, so liegt es auch bei einem jetzt durch das LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 10. Februar 2021, 4 Sa 27/20) in zweiter Instanz entschiedenen Fall. Die beklagte Evangelische Gesamtkirchengemeinde Stuttgart betreibt ca. 51 Kindertageseinrichtungen mit rund 1.900 Kindern. Der Kläger ist bei der Beklagten seit 1995 als Koch in einer Kita beschäftigt. Er erklärte im Juni 2019 seinen Austritt aus der evangelischen Landeskirche. Nachdem die Beklagte von dem Austritt Kenntnis erlangt hatte, kündigte sie das Arbeitsverhältnis außerordentlich und fristlos mit Schreiben vom 21. August 2019. Die Beklagte sieht ihr Handeln und Verständnis vom besonderen Bild der christlichen Dienstgemeinschaft geprägt. Mit dem Kirchenaustritt verstoße der Kläger deshalb schwerwiegend gegen seine vertraglichen Loyalitätspflichten. Der Kläger hat vorgetragen, dass sich sein Kontakt mit den Kindern auf die Ausgabe von Getränken beschränkt habe. Auch mit dem pädagogischen Personal in der Kita habe er nur alle zwei Wochen in einer Teamsitzung Kontakt gehabt, wo es um rein organisatorische Probleme gegangen sei. Das LAG Baden-Württemberg hat die Kündigung für unwirksam erachtet. In der Pressemitteilung heißt es kurz und bündig: „Die Loyalitätserwartung der Beklagten, dass der Kläger nicht aus der evangelischen Kirche austrete, stelle keine wesentliche und berechtigte Anforderung an die persönliche Eignung des Klägers dar.“ Damit liegt das LAG auf der vom EuGH in der Chefarzt-Entscheidung (EuGH NZA 2018, 1187) und in der Entscheidung Egenberger (EuGH NZA 2018, 569) vorgezeichneten Linie, der sich auch das BAG (NZA 2019, 901 und NZA 2019, 455) angeschlossen hat. Wer hier das letzte Wort spricht, ist indes noch nicht klar. Derzeit ist noch eine Verfassungsbeschwerde der Evangelischen Kirche gegen die Entscheidung des BAG in Sachen Egenberger anhängig. Das BVerfG hatte in der Vergangenheit stets die Bedeutung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts betont.