OLG Dresden zur Corona-bedingten Reduzierung der Gewerberaummiete: Volltext veröffentlicht
Gespeichert von Prof. Dr. Thomas Riehm am
Mit Urteil vom 24.2.2021 hat das OLG Dresden einem Mieter von Gebäuden samt Parkplätzen als Bekleidungsgeschäft gestattet, seine Miete wegen der Corona-bedingten Schließung seines Geschäfts im Frühjahr 2020 wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage um 50% zu reduzieren (Az. 5 U 1782/20). Die Urteilsbegründung ist inzwischen veröffentlicht unter BeckRS 2021, 2461 (ebenso - überraschenderweise - ein Hinweisbeschluss des OLG im gleichen Verfahren vom 15.2.2021 mit einem Vergleichsvorschlag unter BeckRS 2021, 3021).
Mit seiner Entscheidung stellt sich das OLG gegen die meisten erstinstanzlichen Gerichte, die bisher Instanz eine Reduktion der Gewerberaummiete wegen Corona-bedingter Einschränkungen der Nutzungsmöglichkeit abgelehnt hatten, und zwar sowohl unter dem Gesichtspunkt der mangelbedingten Minderung als auch der Unmöglichkeit und des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (s. dazu hier zum LG Heidelberg, hier zum LG Frankfurt a.M. und hier zum AG Düsseldorf).
Zutreffend erkennt das OLG, dass die Vorschriften über die Unmöglichkeit aber der Überlassung der Gebäude durch das mietvertragliche Gewährleistungsrecht verdrängt sind. Auch wird zutreffend abgelehnt, dass aus dem Kündigungsausschluss des Art. 240 § 2 EGBGB eine Sperrwirkung gegenüber einer Reduktion der Miete folge.
Das OLG Dresden lehnt dann einen zur Minderung berechtigenden Mangel der Mietsache (hier: gewerblich genutzte Gebäude samt Parkplätzen) ab, allerdings mit undurchsichtiger Begründung, denn der Senat führt umfangreich und in Auseinandersetzung mit der Auffassung der Vorinstanz aus, warum es sich bei den infektionsschutzrechtlichen Beschränkungen entgegen dem LG Chemnitz doch um ortsbezogene (statt betriebsbezogene) Regelungen und daher um einen Mangel handelt:
Entgegen der Auffassung des Landgerichtes ist die staatliche Schließungsanordnung aus den Allgemeinverfügungen vom 18. bzw. 20.03.2020 nach diesen Kriterien ein Mangel des Mietobjektes i.S.v. § 536 Abs. 1 BGB, weil sie unmittelbar mit der konkreten Lage des Mietobjektes in einem Bereich in Zusammenhang steht, in dem die pandemiebedingten Schutzmaßnahmen aufgrund von § 28 Abs. 1 IfSG aus staatlicher Sicht erforderlich waren.
Gleichwohl soll am Ende doch keine Minderung nach § 536 BGB zulässig sein, wohl weil die Beschränkungen nicht in den Risikobereich des Vermieters fallen und daher nicht zur Minderung berechtigen:
Aus der über den zumindest mittelbaren Einfluss der Klägerin hinausgehenden generell und landesweit geltenden Zugangsbeschränkung kann kein Umstand abgeleitet werden, der in den von der Klägerin zu verantwortenden Bereich fällt.
Indessen bejaht das OLG (zurecht) einen Anspruch der Mieterin auf Anpassung der Miete gem. § 313 I BGB wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage. Zutreffend nimmt der Senat an, dass die behördliche Untersagung zum Wegfall der Geschäftsgrundlage (tatsächliches und normatives Element) geführt hat, und verweist insoweit auch auf den neuen Art. 240 § 7 EGBGB. Das hatten allerdings auch die meisten erstinstanzlichen Gerichte noch so gesehen.
Abweichend hiervon ist die Position des OLG Dresden im Hinblick auf das sog. normative Element, also die Frage, ob angesichts des Wegfalls der Geschäftsgrundlage dem Mieter das Festhalten am unveränderten Vertrag unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen und gesetzlichen Risikoverteilung zugemutet werden kann. Hier hatten die meisten erstinstanzlichen Gerichte zu Unrecht gefordert, dass das Festhalten am Vertrag die wirtschaftliche Existenz der Mieter gefährdet. Bei einer Verwendungszweckstörung wie im vorliegenden Fall (das OLG spricht - wohl unzutreffend - von einer Äquivalenzstörung) ist das aber nicht der richtige Maßstab: Entscheidend ist, wie das OLG zutreffend ausführt, dass das Risiko einer pandemiebedingten Schließungsanordnung außerhalb der vertraglichen und gesetzlichen Risikoverteilung liegt, und daher nach § 313 I BGB angemessen auf beide Parteien zu verteilen ist, nachdem diese im Mietvertrag keine Risikoverteilung vorgenommen hatten.
Konsequenterweise hat das OLG angenommen, dass die Kaltmiete für den fraglichen Zeitraum im Wege der Vertragsanpasung nach § 313 I BGB um 50% zu reduzieren ist.