LG Freiburg: Keine Kündigung eines Fitnessstudio-Vertrags wegen Corona-bedingter Schließung
Gespeichert von Prof. Dr. Thomas Riehm am
Mit Urteil vom 27.4.2021 hat das LG Freiburg entschieden, dass ein Nutzer eines Fitnessstudios kein Recht zur außerordentlichen Kündigung seines Nutzungsvertrags (weder aus § 313 BGB noch aus § 314 BGB) hat, wenn das Studio infolge der Corona-bedingten behördlichen Anordnungen vorübergehend nicht nutzbar war (Urt. v. 27.4.2021 - 9 S 41/20, BeckRS 2021, 8727).
Sachverhalt
Der Kläger hatte mit der Beklagten einen Vertrag über die Nutzung des von der Beklagten betriebenen Fitnesstudios abgeschlossen. Die Vertragslaufzeit betrug 24 Monate und verlängerte sich um zwölf weitere Monate, falls sie nicht einen Monat vor dem jeweiligen Beendigungszeitpunkt gekündigt wird.
Nach § 4 Nummer 5 der baden-württembergischen Corona-Verordnung vom 16.03.2020 wurde der Betrieb von Fitnessstudios und sonstigen Sportstätten in geschlossenen Räumen zunächst bis zum Ablauf des 19.04.2020 in Baden-Württemberg untersagt. Die Beklagte schloss daraufhin ihre Einrichtung ab dem 16.03.2020.
Mit Schreiben vom 17.03.2020 erklärte der Kläger unter Berufung auf ein Sonderkündigungsrecht nach § 313 BGB die außerordentliche Kündigung des Vertrages und widerrief die Einzugsermächtigung. Vorsorglich verlangte der Kläger „die Vertragsanpassung dergestalt, dass der Fitnesstudiovertrag zum 16.03.2020“ ende. Die Beklagte wies die außerordentliche Kündigung zurück und bestätigte dem Kläger lediglich die ordentliche Kündigung zum 5.2.2021; darüberhinaus bot sie dem Kläger ein "Trainingsguthaben" an und gewährte "Ruhezeiten" vom 16.3.-15.6. unter Freistellung von den Beiträgen.
Entscheidung des LG Freiburg
Das LG hat die Klage auf Feststellung des Nichtbestehens der Zahlungspflicht hinsichtlich der Beiträge für die Nutzung des Fitnesstudios seit 17.3.2020 sowie auf die Feststellung der Wirksamkeit der Kündigung vom 17.3.2020 abgewiesen.
Ein Grund für eine außerordentliche Kündigung gem. § 314 BGB bestehe nicht. Zwar sei infolge der Corona-Verordnung die Leistung der Beklagten (Ermöglichung der Nutzung des Fitnessstudios) zeitweilig unmöglich geworden (§ 275 I BGB - absolutes Fixgeschäft). Infolgedessen sei während der Unmöglichkeit zugleich die Zahlungspflicht des Klägers entfallen (§ 326 I 1 BGB). Daraus ergebe sich aber kein wichtiger Grund für die Kündigung des Vertrags, weil angesichts der nur vorübergehenden Unmöglichkeit dem Kläger das Festhalten am Vertrag weiterhin zumutbar gewesen sei - auch wenn die letztlich begrenzte Dauer der Schließung am 17.3.2020 noch nicht absehbar war. In diesem Zusammenhang hat der LG bei seiner Interessenabwägung auch die sog. "Gutscheinlösung" des Art. 240 § 5 EGBGB berücksichtigt, der es die Wertung entnimmt, dass Betreiber von Sportstudios vor wirtschaftlichen Härten geschützt werden sollten.
Diese Regelung, wonach die Studiobetreiber ihren Kunden anstelle der Rückzahlung der bezahlten Beiträge (§ 326 I 1, IV BGB) Gutscheine für die Zeit der fehlenden Nutzungsmöglichkeit ausstellen durften, wäre nicht erforderlich gewesen, wenn nach Auffassung des Gesetzgeber ein Recht der Kunden zur außerordentlichen Kündigung bestanden hätte.
Auch eine Kündigung nach § 313 III BGB sei ausgeschlossen, weil zum einen das Unmöglichkeitsrecht auch hier vorrangig sei und zum anderen die ebenfalls erforderliche Interessenabwägung wiederum zum Nachteil des Klägers ausgehe.
Würdigung
Die Entscheidung des LG Feiburg überzeugt im Ergebnis und weitgehend auch in der Begründung. Kunden von Fitnessstudios sind durch die Regeln des Unmöglichkeitsrechts, die sie von der Beitragszahlungspflicht während Corona-bedingter Schließungen ipso iure befreien (§§ 275 I, 326 I 1, IV BGB) grundsätzlich hinreichend geschützt. Eines darüber hinausgehenden Kündigungsrechts bedarf es m.E. nicht.
Ob das auch für die "Gutscheinlösung" gilt, die den Kunden das Insolvenzrisiko für die bereits zu viel entrichteten Beiträge aufbürdet, steht freilich auf einem anderen Blatt (s. dazu die Vorlage des AG Frankfurt a.M. an das BVerfG). Allerdings wird der Nutzer des Fitnessstudios idR den Gutschein sogleich für die nächsten fälligen Beiträge nach Wiedereröffnung des Studios nutzen können, sodass das Insolvenzrisiko im Hinblick auf den Gutschein nicht nennenswert höher sein wird als für die "eigentlich" bestehende Rückzahlungsforderung aus § 326 IV BGB, sodass die Bedenken gegen Art. 240 § 5 EGBGB sich hier kaum auswirken dürften.