150 Jahre Strafgesetzbuch - was hat "überlebt"?
Gespeichert von Prof. Dr. Henning Ernst Müller am
Das Strafgesetzbuch ist seit fast 40 Jahren mein Hauptarbeitsmittel und ist Hauptgegenstand meiner wissenschaftlichen Tätigkeit. Es hat dieses Jahr Geburtstag, genauer: Es hatte vergangene Woche Geburtstag, vom Kaiser mit "höchsteigenhändiger" Unterschrift verkündet am 15. Mai 1871 (RGBl. 1871 S. 127). Am 1. Januar 1872 ist es in Kraft getreten.
Das StGB hat also das Kaiserreich, die Weimarer Republik, das "Dritte Reich" der Nazis und die Bundesrepublik erlebt bzw. überlebt. Wir wissen, dass es neben den größeren Reformen vor und nach 1949 etliche kleinere Änderungen am Wortlaut einzelner Normen, Neukriminalisierungen, insbesondere neue Qualifikationstatbestände, aber auch Entkriminalisierungen gegeben hat.
Aber was genau hat eigentlich überlebt?
Hier eine Liste der Normen, die gleich geblieben sind, auch wenn sie sich jetzt (selten) an anderer Stelle im StGB befinden und der Text leicht abweicht. Ein bisschen Ermessen bei der Frage, was "leicht abweicht" bedeutet, habe ich mir zugestanden, denn wortwörtlich werden ganze Sätze oder Absätze des RStGB vom StGB nur noch selten wiedergegeben. Die Strafdrohungen haben sich natürlich durchgehend geändert.
Einleitender und erster Teil des RStGB, heute AT des StGB
§ 2 S.1 RStGB (jetzt § 1 StGB)
§ 47 RStGB (jetzt § 25 Abs.2 StGB)
§ 49 RStGB (jetzt § 27 StGB)
§ 53 S.2 RStGB (jetzt § 32 Abs.2 StGB)
Zweiter Teil des RStGB, heute BT des StGB (in Klammern zur Orientierung jeweils die heutige Überschrift im StGB)
§ 123 RStGB (Hausfriedensbruch)
§ 132 RStGB (Amtsanmaßung)
§ 156 RStGB (Falsche Versicherung an Eides Statt)
§ 160 S.1 1. Hs RStGB (Verleitung zur Falschaussage)
§ 163 RStGB (jetzt § 161 StGB, Fahrlässiger Falscheid)
§ 185 RStGB (Beleidigung),
§ 186 RStGB (Üble Nachrede)
§ 187 RStGB (Verleumdung)
§ 190 RStGB (Wahrheitsbeweis durch Strafurteil)
§ 192 RStGB (Beleidigung trotz Wahrheitsbeweises)
§ 193 RStGB (Wahrnehmung berechtigter Interessen)
§ 199 RStGB (Wechselseitig begangene Beleidigungen)
§ 213 RStGB (minder schw. Fall des Totschlags),
§ 216 RStGB (Tötung auf Verlangen)
§ 222 RStGB (Fahrlässige Tötung)
§ 224 RStGB (schwere Körperverletzung, jetzt § 226 StGB und etwas umgestellt)
§ 230 RStGB (fahrlässige Körperverletzung, jetzt § 229 StGB)
§ 242 Abs.1 Hs.1 RStGB (Diebstahl)
§ 249 RStGB (Raub)
§ 252 RStGB (Räuberischer Diebstahl)
§ 255 RStGB (Räuberische Erpressung)
§ 263 RStGB (Betrug)
§ 271 RStGB (Mittelbare Falschbeurkundung)
§ 277 RStGB (Fälschung von Gesundheitszeugnissen)
§ 278 RStGB (Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse)
§ 279 RStGB (Gebrauch unrichtiger Gesundheistzeugnisse)
§ 288 RStGB (Vereiteln der Zwangsvollstreckung)
§ 289 RStGB (Pfandkehr)
§ 290 RStGB (Unbefugter Gebrauch von Pfandsachen)
§ 303 RStGB (Sachbeschädigung)
§ 304 RStGB (Gemeinschädliche Sachbeschädigung)
§ 305 RStGB (Zerstörung von Bauwerken)
§ 348 RStGB (Falschbeurkundung im Amt)
§ 352 RStGB (Gebührenüberhebung)
§ 357 RStGB (Verleitung eines Untergebenen zu einer Straftat)
Ich finde es durchaus bemerkenswert, dass nicht nur große Teile der Beleidigungsdelikte, sondern auch die "Kernstraftaten" Diebstahl, Raub und Betrug nahezu denselben Wortlaut behielten.