Teil 3: Die deutsche Übersetzung des DSK-Gutachtens von Herrn Stephen Vladeck – Rausgespuckt von DeepL?
Gespeichert von Peter Winslow am
Sie fragen sich vielleicht, wieso ich mich so intensiv – jedenfalls immer wieder – mit dieser Sache auseinandersetze. Die von der DSK veröffentlichte Übersetzung ist weder vollständig noch richtig. Und? Warum kann ich das nicht einfach gut sein lassen?
Und ich antworte. Ich war gutgläubig. Ich bin davon ausgegangen, dass die DSK die Übersetzung in Auftrag gegeben hatte – ja in Auftrag gegeben haben musste. Die Übersetzung hat quasi sämtliche Merkmale einer schlechten, von einem Menschen angefertigten Übersetzung. And then it hit me. Heutzutage hört man immer wieder, dass die »Übersetzungen« etwa eines DeepLs vollkommen ausreichen. Hat die DSK den englischen Text durch DeepL oder eine andere maschinelle Übersetzungssoftware gejagt? Ist die Übersetzung in Wirklichkeit keine?
Um Antworten auf diese Fragen zu bekommen, habe ich einige Absätze des Gutachtens bei DeepL eingegeben und bin zum folgenden Schluss gekommen: Mit großer Wahrscheinlichkeit hat die DSK den englischen Text durch DeepL oder eine andere maschinelle Übersetzungssoftware gejagt. Die Übereinstimmungen können kein Zufall sein (siehe den Vergleich oben). Bei einem für die Allgemeinheit so wichtigen Gutachten ist eine maschinelle Übersetzungssoftware fehl am Platze; keine maschinelle Übersetzungssoftware kann eine »Übersetzung« liefern, die der Wichtigkeit dieses Gutachtens für die Allgemeinheit gerecht wird. Der Unsinn, der in der von der DSK veröffentlichten Übersetzung steht, ist der Beweis.
Da es aktuell nicht so aussieht, dass die DSK eine korrigierte Übersetzung des Vladeck-Gutachtens veröffentlichen möchte, und da eine richtige und vollständige Übersetzung dieses Gutachtens von allgemeinem Interesse wäre, fragte ich mich, was ich vielleicht tun könnte, ob ich vielleicht helfen könnte. In diesem Sinne habe ich mit einer deutschen Übersetzung des Gutachtens begonnen. Nachstehend findet sich, was ich bisher entwerfen konnte. (Man verzeihe mir bitte, dass ich die Formatierung hier aus technischen Gründen nicht wirklich nachempfinden kann.) Sie können gerne Verbesserungsvorschläge machen. Hinterlassen Sie sie in den Kommentaren.
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[Briefkopf des Herrn Stephen Vladeck
School of Law | The University of Texas at Austin]
15. November 2021
Matthias Bergt
Leiter Referat I B (Recht)
Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit
Friedrichstraße 219
10969 Berlin, Deutschland
Betreff: Gutachten zum aktuellen Stand des amerikanischen Überwachungsrechts und der Überwachungsbefugnisse
Sehr geehrter Herr Bergt,
Sie haben mich gebeten, eine Reihe von Fragen zum aktuellen Stand des amerikanischen Überwachungsrechts und der Überwachungsbefugnisse gutachterlich zu beantworten. Wie Sie wissen, war ich einer der Sachverständigen für Facebook in dem Schrems-Verfahren vor den irischen Gerichten.* Zur Vermeidung von Wiederholungen füge ich diesem Gutachten den von mir in der Sache erstellten Report in Kopie bei (und bezeichne diesen nachfolgend als »Vladeck-Schrems-Report«). Unter anderem enthält er einen detaillierteren Überblick meiner Qualifikationen und Expertise. Siehe Vladeck-Schrems-Report, Randnr. 1–5.
FRAGEN:
I. WEITERE FRAGEN ZUM FISA § 702
1. Sind die amerikanischen Nachrichtendiensten nach FISA 702 lediglich befugt, Daten von elektronischen Kommunikationsdiensten einzuholen, oder verpflichtet diese Vorschrift auch elektronische Kommunikationsdienste, auf Verlangen amerikanischen Nachrichtendiensten Daten offenzulegen oder ihnen Zugang zu den Daten zu gewähren?
In Randnr. 39–43 des Vladeck-Schrems-Reports führe ich zum Anwendungsbereich des Paragraphen 702 FISA aus (des Kernstücks des FISA Amendments Act of 2008). Langer Rede kurzer Sinn: Paragraph 702 ist im folgenden Sinne zwingend: Wenn einem elektronischen Kommunikationsdienst eine Anordnung, die kraft ihrer jährlich durch das FISA-Gericht bestätigten Rechtmäßigkeit nach Paragraphen 702 zulässig ist, durch die Vereinigten Staaten erteilt wurde, muss dieser entweder (1) die Anordnung umsetzen oder (2) vor dem FISA-Gericht gegen die Anordnung vorgehen.
Mit anderen Worten: Eine Anordnung nach Paragraphen 702 kann den elektronischen Kommunikationsdienst als Empfänger dieser Anordnung verpflichten, einem amerikanischen Nachrichtendienst Daten offenzulegen oder diesem Zugang zu den Daten zu gewähren. Aber die Anordnung bewirkt die Offenlegung. Paragraph 702 allein verpflichtet keinen elektronischen Kommunikationsdienst, einem amerikanischen Nachrichtendienst Daten proaktiv offenzulegen oder diesem grundsätzlichen Zugang zu den Daten proaktiv zu gewähren.
2. Wenn die Antwort auf die Frage zu 1 lautet, dass elektronische Kommunikationsdienste verpflichtet sind, Daten offenzulegen oder Zugang zu Daten zu gewähren: Können die amerikanischen Behörden die Erfüllung der Verpflichtung bewirken? Wenn ja, beschreiben Sie bitte, wie.
Paragraph 702 beantwortet speziell diese Frage. Wenn der Kommunikationsdienst gegen die Anordnung gerichtlich vorgeht und unterliegt, so kann seine Nichtfolgeleistung des erlassenen Gerichtsbeschlusses ausdrücklich als Missachtung geahndet werden – was die Festsetzung erheblicher (sich akkumulierender) Ordnungsgelder nach sich ziehen könnte. Siehe 50 U.S.C. § 1881a(i)(4)(G). Wenn der Kommunikationsdienst weder gegen die Anordnung gerichtlich vorgeht noch die Anordnung umsetzt, so kann dieser ein kontradiktorisches, durch den Attorney General zur Durchsetzung der Anordnung beantragtes Verfahren vor dem FISA-Gericht unterzogen werden. Siehe ebd. § 1881a(i)(5). Bewirkt der Attorney General einen Umsetzungsbeschluss, so kann die Nichtfolgeleistung auch in diesem Fall als Missachtung geahndet werden. Siehe ebd. § 1881a(i)(5)(D). Ob der Kommunikationsdienst (ohne Erfolg) gegen die Anordnung vorgeht oder die Anordnung einfach nicht umsetzt, droht ihm also in jedem Fall ein Verfahren wegen Missachtung (so gestaltet, um die Umsetzung von Anordnungen durch steigende Ordnungsgelder und weitere Abhilfemaßnahmen zu bewirken).
3. Welche Arten von Daten kann die Regierung von elektronischen Kommunikationsdiensten nach FISA 702 verlangen? Ist die amerikanische Regierung nach dem Wortlaut dieser Vorschrift zur Erfassung der Metadaten und Inhalte von Kommunikationen befugt? Ist die amerikanische Regierung nach dem Wortlaut dieser Vorschrift zur Erfassung weiterer Arten bzw. Formen von Daten befugt?
Im Wortlaut dieser Vorschrift ist von den spezifischen Arten der nach Paragraphen 702 erfassungsfähigen Daten keine Rede. Aber wir wissen, das FISA-Gericht hat zumindest unter bestimmten Umständen die Erfassung von Metadaten und Inhalten von Kommunikationen nach Paragraphen 702 für zulässig erklärt – das heißt, die Auslegung der Vorschrift durch die amerikanische Regierung ausdrücklich bestätigt, nach der die Erfassung solcher Daten und Inhalte zulässig ist. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift ist die amerikanische Regierung nicht befugt, weitere Arten bzw. Formen von Daten zu erfassen – aber dies hat nicht zwingend zur Folge, dass die Regierung nicht zur Erfassung dieser Daten befugt ist. Wie bei Inhalten und Metadaten ist die Frage nach der befugten Erfassung weiterer Arten oder Formen von Daten eine der Gesetzesauslegung, die dem FISA-Gericht in erster Instanz obliegt. Die Vorschrift verweist lediglich auf die »Inhalte« von Kommunikationen, 50 U.S.C. § 1881a(f)(3)(A), wobei nach der in 18 U.S.C. § 2510(8) enthaltenden Definition gilt: »[S]oweit dieser Begriff in Bezug auf eine drahtgebundene, mündliche oder elektronische Kommunikation verwendet wird, gehören sämtliche Informationen betreffend den Gegenstand (substance), den Sinn (purport) oder die Bedeutung (meaning) der jeweiligen Kommunikation« zu deren »Inhalten«. (Hervorhebung diesseits).
[…]
Endnote
* Die Fußnoten wurden absichtlich ausgelassen.