Englische Übersetzung des Begriffs »Schriftform«
Gespeichert von Peter Winslow am
Immer wieder hört man – zumindest höre ich, dass der im § 126 BGB enthaltene Begriff »Schriftform« mit »written form« zu übersetzen sei, wie dieser in der »convenience« Übersetzung des § 126 BGB tatsächlich wiedergegeben wird. Letzten Sommer hat mir sogar ein sogenannter lawyer-linguist – hier: ein in England und Wales zugelassener Anwalt und in Deutschland tätiger Übersetzer – im Rahmen eines persönlichen Gespräches versichert, dass das englische und walisische Recht diesen Begriff nicht kenne und dass dieser Begriff daher etwa mit »written form as defined in/pursuant to/etc. § 126 BGB« zu übersetzen sei. Ich vergesse die genaue Formulierung. Sie ist auch nicht wichtig.
Wenn der Begriff »Schriftform« ein Erfordernis bezeichnet, nach dem ein Schriftstück – etwa eine Urkunde oder ein Vertrag – schriftlich abgefasst und im Falle einer Urkunde durch die Ausstellerin bzw. den Aussteller oder im Falle eines Vertrags durch die Vertragsparteien eigenhändig unterschrieben werden muss, wie aus § 126 BGB hervorgeht, so ist der Begriff »Schriftform« mit dem Begriff »signed writing« zu übersetzen. Und das gilt unabhängig von der Seite des großen Teiches, auf der man sich befindet – das heißt: unabhängig davon, ob man ins US-Englische oder ins GB-Englische übersetzt.
In den USA ist die relevante Vorschrift § 1-201 des Uniform Commercial Code (»UCC«). Danach umfasse der Begriff »writing« »printing, typewriting, or any other intentional reduction to tangible form«, wobei der Begriff »written« entsprechend bestimmt werde (§ 1-201 Nr. 43 UCC); der Begriff »signed« umfasse die Verwendung von »any symbol executed or adopted with the present intention to adopt or accept a writing« (§ 1-201 Nr. 37 UCC). Dass sich diese beiden Begriffe zusammensetzen lassen und in dieser Zusammensetzung dem deutschen Begriff »Schriftform« stichhaltig annähern, geht bspw. aus § 2-209 Abs. 2 UCC hervor, der lautet:
A signed agreement which excludes modification or rescission except by a signed writing cannot be otherwise modified or rescinded […]. [Hervorhebung diesseits]
In Großbritannien – nun, ich kenne die relevante Vorschrift nicht, ich weiß nicht einmal, ob es eine relevante Vorschrift gibt. Ich bin kein Brite.[*] Nichtsdestotrotz gibt es einen aufschlussreichen Artikel aus dem Jahr 2018 mit dem Titel »UK: Supreme Court Upholds Effectiveness Of Clause Requiring Signed Writing«. Wenn Großbritannien einen dem deutschen Begriff »Schriftform« annähernden Begriff nicht kenne, wie mir der lawyer-linguist letzten Sommer versicherte, so müsste entweder die im Titel enthaltene Abkürzung »UK« etwas vollkommen anderes bedeuten als United Kingdom und/oder der im Titel enthaltene Begriff »signed writing« etwas vollkommen anders bezeichnen als die Schriftform.
Aber ich gehe davon aus, dass die Abkürzung »UK« in der Tat »United Kingdom« heißt, und schließe aus dieser Abkürzung in Verbindung mit dem weiteren Inhalt des Artikels, dass der Begriff »signed writing« in Großbritannien die Schriftform nach § 126 BGB – zumindest stichhaltig annähernd – bezeichnet. Im Klartext: Zwar führt der Autor dieses Artikels, Herr Tony Allen, nicht begriffsbestimmend aus, der Begriff »signed writing« erfordere, dass ein Schriftstück – etwa ein Vertrag – schriftlich abgefasst und durch die Parteien unterschrieben werden muss. Aber aus einer Gesamtbetrachtung seines Artikels geht eindeutig hervor, dass der Begriff »signed writing« so zu bestimmen sei. Dies anders zu bezeichnen, stellte zumindest augenscheinlich einen Kategorienfehler dar.
Sie fragen trotzdem: Warum kann man den Begriff »Schriftform« nicht einfach mit »written form« übersetzen? Ich antworte: Zunächst müssen wir zwischen den USA und Großbritannien unterscheiden. In den USA hat das Adjektiv »written« eine Begriffsbestimmung, die der Bestimmung des Begriffs »writing« entspreche (siehe § 1-201 Nr. 43 UCC). In den USA hat dieses Adjektiv daher nichts mit dem Unterschreiben zu tun. Warum kann man also den Begriff »Schriftform« nicht mit »written form« übersetzen? Antwort: Diese Übersetzung gäbe den Inhalt des deutschen Begriffs nicht mal annähernd wieder; begrifflich fehlte mindestens ein wichtiger Teil des Inhalts, nämlich: die Unterschrift. Und was ist mit Großbritannien? Ich weiß zwar nicht, ob ein ähnlicher Sachverhalt in Großbritannien vorliegt, aber ich vermute sehr stark, dass ein ähnlicher Sachverhalt dort vorliegt. Denn die Übereinstimmungen zwischen »signed writing« in den USA und »signed writing« in Gr0ßbritannien lassen diese Vermutung nicht ohne Weiteres in den Wind schlagen. Doch: Ob diese Vermutung tatsächlich im Hinblick auf Großbritannien gilt, überlasse ich anderen.
Endnote
* Wer sich beim englischen/walisischen Recht besser auskennt, kann ggfs. auf die relevante Vorschrift im Rahmen eines Kommentars hinweisen. Ich wäre für einen solchen Hinweis sehr dankbar.