Schon wieder judex non calculat: Rechenfehler bei der Strafzumessung führt zur Urteilsaufhebung
Gespeichert von Dr. Jörn Patzak am
Auf die Wichtigkeit der richtigen Berechnung der Überschreitung der nicht geringen Menge bei Betäubungsmitteldelikten gem. § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, § 30 Abs. 1 Nr. 4, § 30a Abs. 1, § 30 a Abs. 2 Nr. 2 habe ich bereits hingewiesen (siehe meinen Blog-Beitrag vom 13.2.2022). Denn das Maß der Überschreitung des Grenzwertes darf zu Lasten des Angeklagten in die Strafzumessung einfließen, wenn es sich nicht lediglich um eine Überschreitung in einem Bagatellbereich handelt. Der BGH hat erneut eine landgerichtliche Entscheidung im Strafausspruch aufgehoben, in der dem Tatrichter ein Rechenfehler unterlaufen ist (BGH Beschl. v. 17.5.2022 – 6 StR 182/22, BeckRS 2022, 12641):
Der Strafausspruch hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Landgericht hat dem Angeklagten im Rahmen ihrer Strafzumessungserwägungen bestimmend angelastet, dass der Wirkstoffgehalt des zum Handel bestimmten Kokains mit 112,29 g Kokainhydrochlorid den Grenzwert zur nicht geringen Menge „um mehr als das 120-Fache überschritten“ habe. Der Generalbundesanwalt weist hierzu jedoch zutreffend darauf hin, dass der Wirkstoffgehalt der Handelsmenge bei richtiger Berechnung lediglich etwas mehr als das 22-Fache des für Kokain geltenden Grenzwerts betrug. Angesichts dieses signifikant überhöhten Ansatzes kann der Senat nicht ausschließen, dass die Strafkammer bei korrekter Bewertung eine geringere Strafe verhängt hätte (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Juli 2014 - 5 StR 239/14).
Die zugehörigen Feststellungen haben mit Ausnahme derer zum Maß der Überschreitung Bestand. Das neue Tatgericht kann neue Feststellungen treffen, soweit sie den fortbestehenden nicht widersprechen.