EGMR: Tarifeinheitsgesetz verstößt nicht gegen die EMRK
Gespeichert von Prof. Dr. Markus Stoffels am
Auch das kollektive Arbeitsrecht kann immer öfter nicht mehr allein nach nationalem Recht beurteilt werden. Im Mehrebenensystem entwickelt sich zunehmend auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zu einem wichtigen Akteur. Jüngst hat er sich mit dem deutschen Tarifeinheitsgesetz aus dem Jahre 2015 befasst und entschieden, dass die Bundesrepublik mit den Regelungen in § 4a TVG nicht gegen die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) verstoßen hat (Urteil v. 5.7.2022 - 815/18 u. a. [DBB u. a./Deutschland]).
Der EGMR hat mit seiner Entscheidung u. a. die Klagen von DBB, Marburger Bund und GDL abgewiesen. Diese richteten sich gegen die Verdrängung der Tarifverträge von Minderheitsgewerkschaften in Betrieben mit Tarifkollision. Das Gericht hat entschieden, dass die Regelungen nicht gegen Art. 11 ERMK verstoßen, der das Recht auf gewerkschaftliche Betätigung schützt. Zur Begründung heißt es, dass die mit der Regelung verfolgten Ziele die Beschränkungen der Koalitionsfreiheit rechtfertigen. Ferner weist das Gericht auf den weiten Gestaltungsspielraum hin, den die Konvention den Vertragsstaaten bei der Ausgestaltung ihres nationalen Arbeitsrechts einräumt. Die Straßburger Richter betonen zudem, dass das deutsche Gesetz kleine Gewerkschaften nicht an eigenen Verhandlungen mit Arbeitgebern hindere und darum keine Verletzung des Rechts auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit darstelle.
Zwei Richter haben mit Sondervoten hierzu eine abweichende Auffassung vertreten.
GDL-Chef Weselsky reagierte auf das Urteil mit einer Kampfansage. Man werde bei der Deutschen Bahn verstärkt um Mitglieder werben, um künftig die größte Gewerkschaft im Betrieb zu sein.