Quiet Quitting – die Optimierung der Work-Life-Balance?
Gespeichert von Prof. Dr. Markus Stoffels am
Ein neuer Begriff macht die Runde, insbesondere in den sozialen Medien: „Quiet Quitting“, zu deutsch: „stille Kündigung“ oder auch „Dienst nach Vorschrift“. Beide Übersetzungen beschreiben den Sachverhalt allerdings nicht ganz zutreffend. Im Kern geht es darum, dass Arbeitnehmer gerade so viel arbeiten, dass sie formal ihre arbeitsvertraglichen Pflichten erfüllen. Ein überobligationsmäßiges Engagement lehnen sie grundsätzlich ab. Ihr Ziel besteht darin, gerade eben so nicht gekündigt zu werden – und dadurch mehr Lebensqualität zu erlangen. Ausgelöst wurde die aktuelle Diskussion von einem Video eines TikTokers. Es wurde am 25. Juli 2022 gepostet und inzwischen millionenfach angesehen und fast 500.000 Mal geliked. Die Berliner Zeitung beschreibt das neue Phänomen wie folgt: „Damit richten sich die Quiet Quitter´ gegen die Tendenz vieler Arbeitnehmer im Job `überperformen´ zu wollen, wie etwa Überstunden einzulegen, E-Mails außerhalb der Arbeitszeit zu checken und zusätzliche Aufgaben zu übernehmen, die nicht vertraglich vereinbart wurden. Stattdessen gehen Anhänger der `Stillen Kündigung´ jeden Tag pünktlich in den Feierabend und befassen sich außerhalb der Arbeitszeit ausschließlich mit privaten Angelegenheiten. Bei der sogenannten Stillen Kündigung verabschieden sich Beschäftigte also gedanklich von ihrem Job, ohne ihren Arbeitgebern einen rechtlichen Anlass zu geben, ihnen zu kündigen.“
Arbeitsrechtlich stellen sich doch einige Fragen, die hier nur angedeutet werden können. Diese beschriebene Form der Zurückhaltung ist nämlich keineswegs in jedem Fall vertragskonform. Man denke etwa an den Fall, dass sich der Arbeitnehmer im Arbeitsvertrag zur Ableistung von Überstunden im Bedarfsfall bereiterklärt hat. Dann ist er auf eine entsprechende (der Billigkeit entsprechende) Anforderung des Arbeitgebers sehr wohl verpflichtet, Überstunden zu erbringen. Ferner gilt im Arbeitsrecht der sog. subjektive Leistungsbegriff: maßgeblich ist die individuelle Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers. Von ihm kann die Leistung erwartet werden, die er bei angemessener Anspannung seiner geistigen und körperlichen Kräfte auf Dauer ohne Gefährdung seiner Gesundheit zu leisten imstande ist. Wer überdurchschnittlich leisten kann, ist auch zu überdurchschnittlichen Leistungen verpflichtet. Hält er seine Leistungskraft bewusst zurück, kann durchaus eine Verletzung der Arbeitspflicht vorliegen. Dies dürfte allerdings schwer zu beweisen sein und auch die Kündigung von Low-Performern stellt den Arbeitgeber erfahrungsgemäß vor erhebliche Probleme.