Altersphasenmodell nicht tot, sondern mausetot
Gespeichert von Hans-Otto Burschel am
Er arbeitet bei den Berliner Verkehrsbetrieben, sie ist ReNo-Gehilfin. Nach der Geburt ihres Sohnes setzte sie für 3 Jahre mit der Berufsstätigkeit aus und arbeitet nun wieder 25 Wochenstunden im erlernten Beruf.
Trennung, Scheidung. Sie verlangt nachehelichen Betreuungsunterhalt, da ihr eine Ausweitung ihrer Berufstätigkeit nicht möglich sei. Das FamG verurteilt zur Zahlung von Elementarunterhalt in Höhe von 193,20 € und von Altersvorsorgeunterhalt in Höhe von 48,54 €.
Das KG weist die Berufung zurück. Eine Betreuung im Hort über täglich zehn Stunden (8 – 18.00 Uhr) sei nicht mehr mit dem Kindeswohl vereinbar; die Mutter benötige auch Zeit, die defizitäre Grundschulausbildung des Sohnes zu ergänzen. Eine Betreuung durch Vater und Großeltern scheitere am nicht aufgearbeiteten Elternkonflikt.
Auf die zugelassene Revision hat der BGH das Urteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.
Das Berufungsgericht hat eine vollzeitige Betreuung des gemeinsamen Kindes in einer kindgerechten Einrichtung allein im Hinblick auf das Alter des Kindes aus grundsätzlichen Erwägungen abgelehnt. Individuelle Umstände, die diese Entscheidung rechtfertigen könnten, lässt das Berufungsurteil vermissen. Unabhängig davon, dass - offenbar unstreitig - eine Betreuungsmöglichkeit im Hort bis 18.00 Uhr zur Verfügung steht, hat das Berufungsgericht auch die Betreuungsmöglichkeit durch den Antragsgegner mit unzutreffenden Erwägungen verneint.
Grundsätzlich ist auch der barunterhaltspflichtige Elternteil als Betreuungsperson in Betracht zu ziehen, wenn er dies ernsthaft und verlässlich anbietet (vgl. Empfehlung 5 des Arbeitskreises 2 des 18. Deutschen Familiengerichtstages). Maßstab dafür ist auch im Rahmen des § 1570 BGB das Kindswohl, hinter dem rein unterhaltsrechtliche Erwägungen zurücktreten müssen. Ist bereits eine am Kindeswohl orientierte Umgangsregelung vorhanden, ist diese grundsätzlich vorgreiflich.
Weil hier ein regelmäßiger Umgang mit dem Vater stattfindet und dieser das Kind ohnehin nach den vom Kammergericht in Bezug genommenen Feststellung des Amtsgerichts donnerstags nachmittags betreut, ist nicht nachvollziehbar, warum sich im Falle einer darüber hinaus gehenden Betreuung durch den Antragsgegner ein Loyalitätskonflikt für das Kind ergeben könnte. Die Grenze der Betreuungsmöglichkeit des Vaters dürfte allerdings u. a. in dessen eigener Erwerbstätigkeit zu erblicken sein. Insoweit fehlt es aber an ausreichenden Feststellungen des Berufungsgerichts.
BGH . 15.09.2010 - XII 20/09