Hänsel darf Gretel nicht besuchen
Gespeichert von Hans-Otto Burschel am
Der Mutter (Vater unbekannt) waren das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Gesundheitsfürsorge und Jugendhilfeleistungsantragsrecht für ihre Kinder Hänsel (11) und Gretel (9) im Jahr 2006 entzogen und dem Jugendamt als Ergänzungspfleger übertragen worden.
Gretel kam in eine Pflegfamilie, die Gretel (mit Zustimmung der Mutter) im Jahr 2010 adoptierte.
Hänsel lebt in einer therapeutischen Wohngruppe.
Ein Umgang zwischen den Geschwistern fand seit 2008 ebensowenig statt wie telefonischer, brieflicher oder sonstiger Kontakt.
Hänsel möchte Umgang mit seiner Schwester und wird dabei von seiner Mutter und dem Jugendamt unterstützt. Die Adoptiveltern Gretels sind dagegen.
Das OLG Dresden hat den Umgangswunsch Hänsels negativ beschieden.
Ein Umgangsrecht gemäß § 1685 I BGB besteht nicht, da gemäß § 1755 I 1 BGB durch die Adoption alle Verwandtschaftsverhältnisse zu der Herkunftsfamilie erlöschen. Hänsel ist rechtlich nicht mehr Gretels Bruder.
§ 1685 II BGB greift nicht ein, da Hänsel für seine leibliche Schwester nie „Verantwortung getragen“ hat.
Gegen ein Umgangsrecht sprechen nach Ansicht des Senats auch systematische Gründe. Das Umgangsrecht dürfe nicht in Widerspruch zu Sinn und Zeck der Adoption treten. Ziel der Volladoption sei die vollständige Eingliederung und Sozialisation des Kindes in der Adoptivfamilie.
Die Adoptionsentscheidung setzt eine umfassende Prüfung aller kindeswohlrelevanten Belange voraus. Dazu gehört auch die Frage der nicht mehr bestehenden oder u.U. erheblich eingeschränkten. Hier [In dem Adoptionsverfahren] ist der Ort für die sorgsame Abwägung, ob die Gründe des Kindeswohls, die für eine Adoption sprechen, ausnahmsweise die Trennung von Geschwistern mit allen tatsächlichen und rechtlichen Nachteilen rechtfertigen. Dabei sind auch die Folgen einer damit einhergehenden Einschränkung der Kontakte oder deren vorübergehende oder längerfristige Aussetzung zu bedenken. Wird die Adoption gleichwohl vollzogen, treten damit die umgangsrechtlichen Beschränkungen ein, die nicht durch ein parallel laufendes oder nachträgliches gesondertes umgangsrechtliches Verfahren im Grundsatz korrigiert werden können. Im Rahmen des Adoptionsverfahrens ist unter dem Gesichtspunkt der Erziehungseignung der Adoptiveltern zu prüfen, ob diese gegebenenfalls auch in der Lage sind, den Umgang mit der Herkunftsfamilie in verantwortbarer Weise zu regeln. Wurde die Erziehungseignung der Eltern - wie hier geschehen - bejaht, verlangt das von Art. 6 Abs. 2 GG geschützte Interesse der Adoptiveltern und Gretel an einer möglichst ungestörten Entwicklung eines neuen familiären Bezugssystems unbedingt Beachtung. Dem hat der Gesetzgeber auch durch das Offenbarungs- und Ausforschungsverbot gemäß § 1758 Abs. 1 BGB Ausdruck verliehen.
OLG Dresden v. 12.10.2011 - 21 UF 581/11