Zum Schul“amoklauf“ an einem Ansbacher Gymnasium (mit Update 16.30 Uhr)
Gespeichert von Prof. Dr. Henning Ernst Müller am
Einige Gedanken dazu:
Dieser Angriff auf die Schule hat phänomenologisch wenig zu tun mit dem tödlichen Angriff auf Dominik Brunner an der Münchener S-Bahn-Station. Solche Stimmen, die unter dem gemeinsamen Label „Jugendgewalt“ meinen, etwas Sinnvolles zur Debatte beitragen zu können, irren sich.
Der so genannte Amoklauf in Ansbach, korrekter spricht man von einem Schulmassaker, hat natürlich Übereinstimmungen mit früheren Ereignissen, etwa den von Winnenden und Erfurt. Aber diese Übereinstimmungen können leider kaum dazu genutzt werden, eine vernünftige Präventionsstrategie gerade gegen Schulamokläufe zu errichten. Einsamkeit, Schulversagen, Mobbing, Waffenvernarrtheit, apokalyptische Phantasien, exzessives Computerspielen, all das ist viel zu verbreitet unter männlichen Jugendlichen, und die hier besprochenen Taten viel zu selten, als dass man hier präventiv per Checkliste die eventuell künftigen in dieser Weise gefährlichen Jugendlichen sicher erkennen könnte. Das bedeutet nicht, dass nicht die eine oder andere Präventionsstrategie – etwa der Einsatz von Schulpsychologen (nicht zugleich Lehrern) – auch gegen solche Ereignisse sinnvoll wäre.
Ich bin nach wie vor der Ansicht (auch wenn es sich im vorliegenden Fall nicht bewahrheitet), dass der Umgang der Presse mit diesen Taten eine Rolle für die Nachahmung spielen kann. Eine Häufung solcher Vorfälle in den vergangenen Jahren spricht für eine gewisse „Modeerscheinung“. Dass erneut die Bild-Zeitung ein unverpixeltes Bild des Täters auf die Titelseite bringt, halte ich für fahrlässig und für moralisch inakzeptabel. Was ist eigentlich aus dem Vorschlag der SPD geworden, den sie in Übereinstimmung mit den trauernden Angehörigen von Winnenden formulierte? Nichts, soweit ich weiß. (abgesehen davon, dass die anderen Parteien nicht einmal einen solchen Vorschlag gemacht haben)
Die Angst vor dem Schulbesuch bei Eltern und Schülern ist nach dieser Nachrichtenlage nachvollziehbar, aber wenig berechtigt: Es ist immer noch wesentlich wahrscheinlicher, auf dem Schulweg im Verkehr zu verunglücken, als in der Schule durch Gewalttaten solcher Art verletzt zu werden. Andererseits: Ebenso wie im Straßenverkehr kann es auch in der Schule geboten sein, mehr aufeinander zu "achten" - im positiven Sinn.
Links (im beck-blog) siehe:
Schulamokveröffentlichungsgesetz
St. Augustin - verhinderter Angriff
Amoklauf und Killerspieldebatte Update: Erst jetzt sehe ich, dass die Bildzeitung auf ihrer Website sogar ein Video platziert hat, in dem (außer Namensnennung) alle Identifizierungsdetails genannt werden, einschließlich Abbildung seines Wohnhauses. Es wird auch ein Experte interviewt, dessen Aussage, es ginge den Tätern um "soziale Anerkennung" ganz richtig ist. Dass die Bildzeitung mit ihrer "Berichterstattung" diese Anerkennung und damit den Tätern ein Motiv geradezu liefert, ist diesen "Journalisten" nicht aufgegangen. Nun wird mir sicherlich wieder vorgeworfen, ich wolle mit meinem Vorschlag (ein Verbot der Identifizierung solcher Täter) die Pressefreiheit abschaffen.