Der Wille des Kindes
Gespeichert von Hans-Otto Burschel am
Aus einer Entscheidung des Kammergerichts zum Umgangsrecht mit einem 16-Jährigen, der zwar Kontakt zu seinem Vater haben will, feste Umgangszeiten jedoch ablehnt.
Jedenfalls bei einem 16jährigen Jugendlichen kann in einer so ernsten und privaten Angelegenheit wie der Frage eines Umgangs mit seinem Vater nicht das Recht auf einen freien Willen abgesprochen werden. Entgegen der Auffassung des Vaters ist daher die von A. getätigte Äußerung in seiner persönlichen Anhörung vor dem Amtsgericht, wonach er zwar seinen Vater sehen will, aber selbst über Ort und Datum eines Umgangs bestimmen will, zu beachten. A. ist bereits aufgrund seines Alters und seiner Verstandesreife ohne weiteres in der Lage einen derartigen Willen zu bilden. Anhaltspunkte für Einschränkungen einer derartigen Willensbildung ergeben sich nicht. Der Wunsch des Sohnes ist auch durchaus nachvollziehbar. Abgesehen davon, dass Jugendliche in diesem Alter vielfältige andere Interessen haben und gerade die Wochenenden häufig lieber mit Gleichaltrigen als mit dem von ihnen getrennt lebenden Elternteil verbringen, möchten die Jugendlichen zumindest selbst bestimmen können, wann sie den anderen Elternteil sehen können und lehnen starre Regelungen gerichtsbekanntermaßen häufig ab. A. hat seine Entscheidung zudem – wie der im Beschluss des Amtsgerichts wiedergegebenen Anhörung zu entnehmen ist – nachvollziehbar mit dem schwierigen und durch die Ereignisse in der Vergangenheit sehr belastenden Verhältnis zum Vater begründet. Er hat ebenso wie sein Bruder eine ganz offensichtlich mit viel Streit einhergehende Trennung der Eltern erlebt, die tiefe Spuren bei A. hinterlassen hat. Der mehrmalige Aufenthaltswechsel der Kinder im Rahmen der Trennung – Mutter/Vater/Mutter – macht deutlich, dass die Kinder in den Trennungskonflikt der Eltern massiv hineingezogen worden sind. Zusätzlich verschärft worden ist dieser Konflikt dadurch, dass zumindest der Aufenthalt beim Vater aus Sicht des älteren Bruders, wie einem vom Vater eingereichtem Bericht des Jugendamtes vom 24. Januar 2008 zu entnehmen ist, von Auseinandersetzungen mit dem Vater geprägt gewesen waren, während A. nicht nur unter diesen Streitigkeiten litt, sondern auch zugleich den Verlust seiner Hauptbezugsperson, der Mutter, verkraften musste. Nachdem die Kinder dann in den Haushalt der Mutter gewechselt sind, brach der Vater den Kontakt zu den Kindern zunächst ab, suchte dann wieder Kontakt zu ihnen und hat dann im Sommer 2007 erstmals ein Umgangsverfahren eingeleitet. A. stand den Kontakten zum Vater dabei immer aufgeschlossen gegenüber. Die vom Vater eingereichten E-Mails machen aber deutlich, dass der Vater nur sehr schwer in der Lage ist, seine persönlichen Verletzungen durch die Trennung und deren Folgen von der Beziehung zu A. zu trennen. Der Vater hat sich in seinen Äußerungen häufig auf die Vergangenheit bezogen und seine Verletzungen gegenüber dem Kind thematisiert, was ganz sicherlich für einen Kontaktaufbau nicht nur nicht förderlich, sondern hinderlich ist. Zudem fehlt es dem Vater offensichtlich an dem notwendigen Feingefühl, um auf die Wünsche des Kindes einzugehen. A. hat sich in zwei Mails grundsätzlich bereit erklärt, bei einem geplanten Besuch in F. auch den Vater zu treffen. Wenn man die Äußerungen A. richtig liest, dann wird deutlich, dass nicht der Besuch beim Vater bei den Plänen des Jugendlichen im Vordergrund gestanden hat, sondern über einen Besuch in seiner alten Heimatstadt F. und der dortigen Kontaktaufnahme zu Freunden auch ein Besuch beim Vater möglich gewesen wäre.
Der Vater hat dies leider fehl interpretiert und hieraus einen Wunsch des Kindes, ihn nunmehr in F. besuchen zu wollen, abgeleitet und daraus gleich seinerseits einen Besuch des Jugendlichen in B. vorgeschlagen. Er hat damit die ersten feinen Signale des Kindes und dessen Bereitschaft eines ersten persönlichen Kontaktes nicht wahrgenommen und abgewartet, sondern sofort wieder die Initiative ergriffen und seine Wünsche in den Vordergrund gestellt. Auch wenn der Senat nicht verkennt, dass der Vater angesichts der langen Trennung von A. und den fehlenden Kontakten hierunter leidet und möglichst schnell seinen Sohn wieder sehen will, so zeigt diese Reaktion des Vaters auch deutlich, dass er sich nicht in die Lage des Kindes hineinversetzen kann. Deutlich wird dies auch daran, dass er A. Wunsch nach einer einvernehmlichen Regelung nicht aufgegriffen hat. A. hat deutlich gemacht, dass er eine gerichtliche Auseinandersetzung nicht wünscht. Er hat dem Vater auch eine Begründung hierfür geliefert. Denn er hat sich in seiner ersten gerichtlichen Anhörung im Umgangsverfahren für sein dem Umgang mit dem Vater eher reserviertes Verhalten rechtfertigen müssen. Eine weitere gerichtliche Auseinandersetzung wollte er daher nicht. Der Vater macht ihm hingegen postwendend deutlich, dass er den Wunsch der einvernehmlichen Regelung für unrealistisch hält und meint, dass ohne das Gericht als neutrale Instanz keine Regelung möglich sei. Auch wenn der Vater vielleicht A. nur verdeutlichen wollte, dass in der Vergangenheit ihm eine Regelung ohne gerichtliche Hilfe weder möglich noch sinnvoll erschien, so hat er den Gedanken einer außergerichtlichen Annäherung auch nicht aufgegriffen und durch die Einleitung des jetzigen Umgangsverfahren auch verworfen. Für A. bedeutete dies wiederum eine gerichtliche Anhörung mit einer Positionierung und Bewertung seiner Eltern. Der Vater möge einmal überlegen, was es für A. nach der von ihm erlebten Vergangenheit, die durch die Konflikte der Eltern gekennzeichnet ist, bedeutet, sich gegenüber Dritten immer wieder zu äußern, wie er zu seinen Eltern steht. Der Vater mag sein eigenes Verhalten auch nicht zu reflektieren. Der Kontakt zwischen ihm und A. sollte allein der Annäherung der beiden dienen und des Interessen- und Erfahrungsaustausches. Schließlich hat A. nicht nur in der Vergangenheit mit dem Vater und der Mutter bis zur Trennung seine Kindheit verbracht, sondern eine zeitlang auch beim Vater alleine gewohnt. Der Vater jedoch legt Wert darauf, dass der Inhalt seiner Äußerungen jederzeit nachweisbar ist. Ihm sei in Erinnerung gerufen, dass es sich grundsätzlich um eigentlich vertrauliche Äußerungen beider handelt. Hat der Vater eigentlich einmal überlegt, was es für A. bedeutet, seine Schreiben an dem Vater in einem Gerichtsverfahren wiederzufinden? Der Vater ist zudem auch völlig in der Vergangenheit verstrickt, wenn er in seiner persönlichen Stellungnahme zu der Beschwerde sich auf Ereignisse aus dem Jahr 2006 bezieht. Warum und wieso A. damals so reagiert hat, ist keine Grundlage für eine Entscheidung zum jetzigen Zeitpunkt. Auffällig ist auch, dass der Vater nicht dargetan hat, dass er von seinem Recht auf einen schriftlichen Kontakt seit der Umgangsentscheidung Gebrauch gemacht hat. Im Übrigen führt der Vater die Konflikte innerhalb der Familie weiter, indem er die Unterhaltszahlungen an den Sohn C. mit Volljährigkeit eingestellt hat und dieser nunmehr ein gerichtliches Verfahren angestrengt hat und er bereits ein weiteres Verfahren auf Auskünfte gegen die Mutter angestrengt hat. A. lebt nun einmal in der mütterlichen Familie und mit seinem Bruder zusammen bzw. hat zumindest ein enges Verhältnis zu ihm. All diese Reaktionen des Vaters machen es A. nicht im Ansatz leicht, nicht nur einen Kontakt zum Vater zu dulden, sondern auch diesen Kontakt zu wollen. Gleichwohl hat A. sich immer bereit erklärt, einen Umgang mit dem Vater dem Grunde nach zu wollen. Der Vater sollte diese Bereitschaft anerkennen und auf sie aufbauen.
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Es wäre für einen erfolgreichen Aufbau des vom Vater begehrten Umgangs sicherlich auch förderlich, wenn es ihm gelänge, A. als eigene Person wahrzunehmen und anzuerkennen, dass A. sehr wohl einen eigenen Willen aufgrund der Ereignisse in der Vergangenheit hat bilden können. Zur Vermeidung weiterer Eskalation hat der Senat daher auch davon ausnahmsweise abgesehen, die Beschwerdeschrift an den Sohn, der eigentlich mit 16 Jahren an dem Beschwerdeverfahren zu beteiligen wäre, zu übermitteln, da die Negierung des Willens des Kindes eine Herabsetzung dessen Persönlichkeit darstellt, die der Bereitschaft des Jugendlichen zu einem persönlichen Umgang alles andere als förderlich ist.
KG v. 02.02.2010 - 13 UF 189/09