Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts erst nach Scheitern einer Umgangspflegschaft
Gespeichert von Hans-Otto Burschel am
Zwischen den Eltern gab es massiven Streit um das Umgangsrecht. Die Mutter verweigerte beharrlich Kontakte des Kindes zum Vater. Vollstreckungsversuche einer Umgangsregelung scheiterten am massiven Widerstand der Mutter.
Das AG beschloss die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Erziehungsfähigkeit der Mutter
Die abschließende Anhörung des Kindes konnte nicht erfolgen, da die Großmutter dem Richter das Kind entzog
Mit Beschluss vom 21.09.2010 entzog das Amtsgericht - Familiengericht - Zerbst der alleinsorgeberechtigten Kindesmutter daraufhin die elterliche Sorge in den Teilbereichen Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge und das Recht zur Stellung von Anträgen auf Gewährung von Sozialleistungen und übertrug diese Teilbereiche dem Jugendamt A. als Ergänzungspfleger.
Zur Begründung führte das Amtsgericht aus, dass die permanente Vereitelung des Umgangsrechts der Tochter mit ihrem Vater durch die Kindesmutter, bei V., die eine emotionale Beziehung zum Vater habe, einen manifesten Interessenkonflikt verursacht habe, dessen ungehinderter Fortbestand zu einer seelischen und auch ggfs. körperlichen Kindeswohlgefährdung führen könne. Da die Kindesmutter wenig Initiative zeige, dieser Gefährdung entgegenzutreten, bisherige Hilfsangebote des Jugendamtes und der Beratungsstellen nicht wahrgenommen worden seien, sich nach den Feststellungen des Jugendamtes sogar bereits Störungen im Bindungsverhalten des Kindes zeigen würden, das Kind sich nach den Ermittlungen des Verfahrensbeistandes aber nicht dem jeglichen Kontakt zum Kindesvater ablehnenden Willen ihrer Mutter widersetzen könne und mit dieser Situation massiv überfordert sei, rechtfertige sich, auch vor dem Hintergrund des besonderen Schutzes der Familie aus Art. 6 GG, nach den §§ 1666, 1666 a BGB wegen der drohenden Kindeswohlgefährdung die Entziehung der vorgenannten Teilbereiche der elterlichen Sorge, sei doch anders die Gefährdung des Kindes nicht mehr abzuwenden.
Seitdem ist das Kind in einem Heim untergebracht.
Das OLG Naumburg wies mit Beschluss vom 07.12.2010 die Beschwerde (3 UF 178/10) der Mutter ab.
Auf die (nur wegen des Streits Ergänzungspflegschaft oder Verfahrensbeistand zugelassene und zum Zeipunkt der Entscheidung bereits überholte Frage) Rechtsbeschwerde hat der BGH den Naumburger Beschluss aufgehoben und die Sache zurückverwiesen:
- Zur Beseitigung einer Gefährdung des Kindeswohls (hier: Umgangsvereitelung und massive Beeinflussung des Kindes durch die allein sorgeberechtigte Mutter gegen den Vater) darf nur das mildeste Mittel gewählt werden. Vor Entziehung des - gesamten - Aufenthaltsbestimmungsrechts wegen Umgangsvereitelung ist eine Umgangspflegschaft einzurichten. Davon kann nur bei offensichtlicher Aussichts- losigkeit abgesehen werden.
- Auch bei Wahl des mildesten Mittels hat ein Eingriff in das Sorgerecht (hier: Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts zum Zweck der Heimunterbringung) zu unterbleiben, wenn dieser mit anderweitigen Beeinträchtigungen des Kindeswohls einhergeht und bei einer Gesamtbetrachtung zu keiner Verbesserung der Situation des gefährdeten Kindes führt.
BGH v. 26.10.2011 - XII ZB 247/11
PS:
1. Ob das Kind während der nun schon zehnmonatigen Heimunterbringung Kontakte zum Vater (und der Mutter) hatte, ergibt sich aus dem Beschluss des BGH nicht, ist jedoch anzunehmen/ zu hoffen.
2. Der BGH stellt in Anschluss an BGHZ 184, 323 fest, dass die Regelung in § 18 FamFG verfassungskonform dahin auszulegen ist, dass die Frist zur Nachholung der Begründung der Rechtsbeschwerde nicht zwei Wochen, sondern einen Monat beträgt