Der Tod hat geschieden - aber wer zahlt die Beerdigung? (Ein Klassiker neu aufgelegt)
Gespeichert von Hans-Otto Burschel am
Die Eheleute lebten im Bezirk des AG Husum getrennt. Ob ein Scheidungsverfahren bereits anhängig war, ergibt sich aus dem mitgeteilten Sachverhalt nicht
Am 31.10.2006 verstarb der Mann.
Die Ehefrau erklärte gegenüber dem Bestatter ausdrücklich, dass sie für die Beerdigungskosten nicht aufkommen werde und könne.
Der Bestatter waltete seines Amtes (Sozialbestattung Kosten: 2.470,63 €) und stellte diesen Betrag der Witwe in Rechnung.
Diese beantragte die Kostenübernahme durch das Sozialamt: Ablehnung, Widerspruch, Verfahren vor dem Sozialgericht, Ende offen.
Der Bestatter wollte so lange nicht warten und verklagte die Witwe. Er blieb vor dem AG und dem LG erfolglos. Die zugelassene Revision zum BGH brachte ihm Erfolg.
Der BGH bejaht einen Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677, 683, 679, 670 BGB).
Der entgegenstehende Wille der Witwe komme gemäß § 679 BGB nicht in Betracht.
§ 13 (2) des Bestattungsgesetzes für Schleswig-Holstein lautet (die anderen Bundesländer haben ähnlich lautende Bestimmungen):
Für die Bestattung haben die Hinterbliebenen oder eine von der verstorbenen Person zu Lebzeiten beauftragte Person oder Einrichtung zu sorgen (Bestattungspflichtige).
Sind die in Satz 1 genannten Personen nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln oder kommen sie ihrer Pflicht nicht nach und veranlasst kein anderer die Bestattung, hat die für den Sterbe- oder Auffindungsort zuständige Gemeinde …für die Bestattung zu sorgen.
Zu den Hinterbliebenen gehört an erster Stelle der überlebende Ehegatte
Der BGH:
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts trifft es jedoch nicht zu, dass es dann, wenn die von Gesetzes wegen Bestattungspflichtigen die Beerdigung eines Verstorbenen nicht vornehmen, allein Sache der für den Sterbe- und Auffindungsort zuständigen Gemeinde ist, im Wege der Ersatzvornahme die Bestattung zu veranlassen. Nach § 13 Abs. 2 Satz 2 BestattG Schl.-H. hat die Gemeinde, wenn Bestattungspflichtige nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln sind oder ihrer Bestattungspflicht nicht nachkommen, erst und nur dann für die Beerdigung zu sorgen, wenn auch kein anderer die Bestattung veranlasst. Angesichts der Subsidiarität der gemeindlichen Verpflichtung, wonach das Tätigwerden eines jeden Dritten - gleichgültig aus welchen Beweggründen und mit welchem (vermeintlichen oder tatsächlich vorliegenden) Rechtsgrund - die Gemeinde entlastet, hat sich der Kläger durch sein "eigenmächtiges" Handeln keineswegs behördliche Kompetenzen angemaßt, sondern lediglich bewirkt, dass sich ein behördliches Einschreiten erübrigt hat.
….
Der der Geschäftsführung des Klägers entgegenstehende Wille der Beklagten ist gemäß § 679 BGB unbeachtlich, da an der alsbaldigen, innerhalb der gesetzlichen Bestattungsfrist von neun Tagen nach Todeseintritt (§ 16 BestattG Schl.-H.) erfolgenden Beerdigung des Verstorbenen ein dringendes öffentliches Interesse bestand. Dabei stellt die vorliegende Fallgestaltung nach den Vorstellungen des historischen Gesetzgebers geradezu den Schulfall für die Anwendung des § 679 BGB dar (siehe Mugdan, Die gesammelten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, II. Band, S. 483). Schon im römischen Recht wurde demjenigen, der eine Leiche beigesetzt hatte, selbst dann eine Klage - die sogenannte actio funeraria - gegen den zur Leichenbestattung verpflichteten Erben gewährt, wenn er gegen dessen ausdrückliches Verbot gehandelt hatte. Im gemeinen Recht wurde dieser Grundsatz auf die Fälle erweitert, in denen die Geschäftsführer in Erfüllung einer fremden gesetzlichen Verpflichtung tätig wurden, sofern die Verpflichtung zugleich auf einer sittlichen Vorschrift beruhte. § 679 BGB hat diesen Gedanken verallgemeinernd aufgegriffen.
BGH v. 17.11.2011 - III ZR 53/11