Ein Urteil im Beschlussverfahren? - Von der Qualität juristischer Berichterstattung
Gespeichert von Prof. Dr. Christian Rolfs am
Am 24.08.2012 berichteten mehrere Online-Medien über ein "Urteil" des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main, Kernaussage: Schroffer Tonfall des Chefs ist noch kein Mobbing.
Kritik an der Arbeitsleistung berechtigt nicht zur Verweigerung der Arbeit
Die in einem Versicherungsunternehmen beschäftigte Arbeitnehmerin sei mehrfach mit verschiedenen Vorgesetzten aneinandergeraten, schließlich habe sie sich krankschreiben lassen. Aber auch nach ihrer Genesung habe sie sich trotz mehrfacher Aufforderung geweigert, an ihren Arbeitsplatz zurückzukommen. Darauf erhielt sie die fristlose Kündigung wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung. Sie machte geltend, die Umgangsformen der Chefs ließen befürchten, dass sie alsbald wieder krank werde. Man grenze sie in der Firma systematisch aus, mobbe sie. Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main folgte ihrer Argumentation nicht. Zwar konnte die Frau einen rauen Umgangston der Vorgesetzten, häufige Kritik an ihrer Arbeitsleistung sowie eine hohe Arbeitsbelastung nachweisen. Das berechtige sie aber nicht, die Arbeit einzustellen. "Mobbing" liege erst dann vor, "wenn unerwünschte Verhaltensweisen bewirken, dass die Würde des Arbeitnehmers verletzt" werde. So zitiert beispielsweise Spiegel Online aus dem "Urteil".
Verfahrensgegenstand ist (nur) die Zustimmungsersetzung, nicht die Kündigung
Nur: Das Verfahren trägt das Aktenzeichen 7 BV 162/12. Es handelt sich also um ein Beschlussverfahren (BV), und da ergehen, wie der Name schon sagt, gar keine Urteile, sondern nur Beschlüsse. Urteilsverfahren tragen beim Arbeitsgericht Ca-Aktenzeichen. Das wirft nicht nur die Frage nach der Qualität der Berichterstattung auf, sondern auch, was der Kündigungsrechtsstreit im Beschlussverfahren zu suchen hat. Die einzig sinnvolle Erklärung: Die Arbeitnehmerin ist Mitglied des Betriebsrats (oder eines anderen Organs der Betriebsverfassung). Die Arbeitgeberin braucht also vor der Kündigung dessen Zustimmung (§ 103 Abs. 1 BetrVG), und, wenn dieser sie nicht erteilt, die Zustimmung des Arbeitsgerichts (§ 103 Abs. 2 BetrVG). Eigentlich handelt es sich daher auch gar nicht um ein Kündigungsverfahren, sondern "nur" um das Verfahren der Zustimmungsersetzung. Materiell wird aber (natürlich) trotzdem die im Raum stehende Kündigung geprüft, denn nur wenn die Arbeitgeberin einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung hat (§ 626 Abs. 1 BGB), ersetzt das Arbeitsgericht die Zustimmung des Betriebsrats.
Leider ist auf der Homepage des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main keine Pressemitteilung zu diesem Verfahren veröffentlicht.