AGG: Wann fehlt einem Bewerber die Eignung objektiv?
Gespeichert von Prof. Dr. Christian Rolfs am
Entschädigung wegen einer Diskriminierung nach dem AGG (§ 15 Abs. 2 AGG) kann nur verlangen, wer wegen eines der in § 1 AGG genannten Merkmale ohne Rechtfertigung benachteiligt worden ist. Zum Begriff der Benachteiligung gehört, dass sich der Gläubiger "in einer vergleichbaren Situation" mit der- oder denjenigen Person(en) befunden hat, die eine günstigere Behandlung erfahren haben (§ 3 Abs. 1 AGG). Wer sich beispielsweise auf eine Stelle bewirbt, für die ihm objektiv die erforderliche Qualifikation fehlt, wird durch eine Nichtberücksichtigung der Bewerbung nicht benachteiligt. Aus diesem Grunde hat das LAG Baden-Württemberg die Klage eines Rechtsanwaltes abgewiesen, der sich wegen seines Alters diskriminiert sah.
Die Beklagte ist eine aus zwei Rechtsanwälten, die beide beim BGH zugelassen sind, bestehende BGB-Gesellschaft. Sie hatte eine Stelle ausgeschrieben:
Als Rechtsanwaltskanzlei beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe beraten und vertreten wir unseren namhaften Mandanten vor dem Bundesgerichtshof in gleichermaßen rechtlich anspruchsvollen wie wirtschaftlich bedeutenden Verfahren auf allen Gebieten des Zivil- und Wirtschaftsrechts. Zur Verstärkung unseres Teams suchen wir einen
Rechtsanwalt (m/w)
mit erster Berufserfahrung oder auch als Berufsanfänger
Unsere Tätigkeit erfordert hervorragende Rechtskenntnisse, eine wissenschaftlich vertiefte Vorgehensweise und die Fähigkeit, die Position unserer Mandanten schriftlich prägnant und überzeugend zu vertreten. ...
Der Kläger, Jahrgang 1953, beide Staatsexamina "befriedigend" und "cum laude" promoviert, bewarb sich per E-Mail auf diese Stelle. Er wurde nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen und erhielt eine Absage. Er sieht sich wegen seines Alters diskriminiert. Ein hinreichendes Indiz (§ 22 AGG) erblickt er darin, dass die Stellenanzeige einschränkend Rechtsanwälte „mit erster Berufserfahrung oder auch als Berufsanfänger“ angesprochen habe. Seine auf Zahlung einer Entschädigung gerichtete Klage blieb in den beiden ersten Instanzen ohne Erfolg. Zur Überzeugung des LAG Baden-Württemberg durfte die Beklagte die Stellenausschreibung auf Rechtsanwälte (m/w) mit "hervorragenden Rechtskenntnissen auf den Gebieten des Zivil- und Wirtschaftsrechts" beschränken: Die Mitarbeit bei einer Rechtsanwaltskanzlei beim BGH erfordere solche hervorragenden Rechtskenntnisse. Allein die (mögliche) Zulassung als Rechtsanwalt aufgrund zweier erfolgreich abgelegter Staatsexamina reiche hierzu nicht aus. Gegenstand der geschuldeten Tätigkeit sei die Vorbereitung von Revisionsverfahren beim BGH und die Zuarbeit für Rechtsanwälte, die vor dem BGH auftreten. Es müssten grundsätzliche Rechtsfragen und Fragen der Rechtsfortbildung diskutiert und gelöst werden (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die Arbeit müsse auf einen hohen Qualitätsniveau geleistet werden, damit die beim BGH zugelassenen Rechtsanwälte in die Lage versetzt würden, die relevanten Rechtsfragen sowohl mit dem (der) hochqualifizierten Kollegen (Kollegin) auf der Gegenseite als auch mit einem fünfköpfigen Senat auf gleicher Augenhöhe zu erörtern und den Senat vom eigenen Rechtsstandpunkt zu überzeugen.
Diese Qualifikationsanforderungen erfülle der Kläger mit seinen beiden lediglich "befriedigenden" Examina nicht.
Das LAG hat jedoch die Revision zum BAG zugelassen. Von grundsätzlicher Bedeutung (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG) sei nämlich sowohl die Beantwortung der Frage, ob es im Rahmen der objektiven Eignung (lediglich) auf den erfolgreichen Abschluss der geforderten Berufsausbildung oder (auch) auf wesentliche zusätzliche Qualifikationen ankomme, als auch diejenige nach der Verteilung der Darlegungslast bei Feststellung der objektiven Eignung.
(LAG Baden-Württemberg, Urt. vom 29.8.2014 - 12 Sa 15/14, BeckRS 2015, 65554)