Viele Facetten der verdeckte Gewinnausschüttung in einem einzigen Urteil - FG Berlin-Brandenburg v. 19.9.2023 - 8 K 8207/20
Gespeichert von StB Dr. Martin Weiss am
Die verdeckte Gewinnausschüttung des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG füllt ganze Bände an Kommentarliteratur. In dem neuen Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 19.9.2023 – 8 K 8207/20 sind viele der dabei auftretenden Kontroversen rund um die allseits bekannte Definition der verdeckten Gewinnausschüttung des BFH (z.B. BFH v. 18.5.2021 – I R 4/17, BStBl. II 2023, 678, Rz. 21) versteckt.
Die Klägerin, eine inländische Kapitalgesellschaft, hatte im Jahr 2013 ein Grundstück für über 30.000.000 € erworben. Dabei bediente sie sich auch der Hilfe ihrer mittelbaren Muttergesellschaft in Zypern. Diese hielt vermittelt über ihre ebenfalls zypriotische Tochtergesellschaft zu 100 % die Anteile an der Klägerin. Für die Hilfe beim Erwerb des Grundstücks wurden der Klägerin im Jahr 2014 gut 300.000 € in Rechnung gestellt, die diese als Anschaffungskosten (§ 255 Abs. 1 HGB) des Grundstücks aktivierte.
Das rief die Betriebsprüfung auf den Plan, die die Zahlung der gut 300.000 € als verdeckte Gewinnausschüttung im Streitjahr 2014 einstufte und nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG dem Einkommen hinzurechnen wollte. Hinzu kam der Einbehalt von Kapitalertragsteuer, der gerade bei beschränkt steuerpflichtigen Empfängern der verdeckten Gewinnausschüttung für dem Fiskus wichtig ist (§ 32 Abs. 1 KStG).
Die Frage beim Tatbestand des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG: Worin besteht die für Zwecke der verdeckten Gewinnausschüttung erforderliche Auswirkung auf die „Höhe des Unterschiedsbetrags i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG“ (R 8.5 Abs. 1 Satz 1 KStR)? Die Anschaffung muss schließlich nach der BFH-Rechtsprechung immer neutral sein (im „Dunstkreis“ der §§ 4f, 5 Abs. 7 EStG etwa BFH v. 14.12.2011 – I R 72/10, BStBl. II 2017, 1226, Rz. 9). Die ganz traditionelle Antwort, die auch das FG bestätigt: Das Wirtschaftsgut ist nur mit den unter fremden Dritten üblichen Anschaffungskosten zu aktivieren (BFH v. 13.3.1985 – I R 9/81, BeckRS 1985, 5094), so dass eine Vermögensminderung vorliegt (BMF v. 28.5.2002, BStBl I 2002, 603, Rz. 42).
Weiteres Tatbestandsmerkmal der verdeckten Gewinnausschüttung allerdings: Die Vermögensminderung muss „durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst“ sein. Das kann das FG bei dem für die Dienstleistung gezahlten Preis beim besten Willen nicht erkennen. Die Veranlassung kann jedoch auch bei fremdvergleichskonformer Bepreisung gegeben sein, wenn gegenüber dem beherrschenden Gesellschafter (R 8.5 Abs. 2 Satz 1 KStR) oder ihm nahestehenden Personen (H 8.5 III KStH, „Nahestehende Person“, „Verhältnis zum beherrschenden Gesellschafter“) der „formelle Fremdvergleich“ nicht beachtet wird. Insbesondere nicht „im Voraus getroffene“ Vereinbarungen sind dabei notorische Problemfelder (BFH v. 17.1.2018 – I R 74/15, BeckRS 2018, 11695, Rz. 15). Eine solche lag im Streitfall nach Ansicht des FG vor.
Am Ende erfolgt jedoch die entscheidende Wendung: Die Hinzurechnung nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG aufgrund der Verletzung des formellen Fremdvergleichs kann in DBA-Fällen durch eine Art. 9 Abs. 1 OECD-MA 2017 vergleichbare DBA-Regelung vermieden werden (H 8.5 III KStH, „Beherrschender Gesellschafter“, „Sperrwirkung des …“). Die jüngsten "Irrungen und Wirrungen" rund um das Verständnis des Art. 9 OECD-MA hat jedenfalls diese eine Facette der Problematik überlebt (BFH v. 27.2.2019 – I R 73/16, BeckRS 2019, 8466, Rz. 27).
In diesem Fall war es Art. 9 Abs. 1 DBA Zypern 2011, der der Klägerin zur „Überwindung“ der verdeckten Gewinnausschüttung verhalf. Das Finanzamt wollte hiergegen die Tatsache in Stellung bringen, dass die verdeckte Gewinnausschüttung doch eigentlich bei der mittelbaren Muttergesellschaft anzusetzen sei und insoweit kein Schutz durch Art. 9 DBA Zypern bestehe. Das FG kam hingegen zu dem zustimmungswürdigen Ergebnis, dass die unmittelbare Muttergesellschaft Empfängerin der verdeckten Gewinnausschüttung sei („Ketten-vGA“).
Fraglich erscheint m.E., ob „beide Seiten“ der verdeckten Gewinnausschüttung damit erledigt sind. Das FG geht eher „leichtfüßig“ davon aus, dass bei der zypriotischen Muttergesellschaft keine Einkünfte nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG anzusetzen seien, so dass keine Verpflichtung zum Einbehalt der Kapitalertragsteuer bestehe. Das scheint zumindest nicht ganz klar: Der Tatbestand der verdeckten Gewinnausschüttung nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG ist gegeben, er wird lediglich durch Art. 9 Abs. 1 DBA Zypern in seinen Wirkungen „unterdrückt“. Schlägt das tatsächlich zwingend auf § 20 EStG durch, fragt man sich…