Beschränkungen der Medienberichterstattung über Vergewaltigungsprozesse
Gespeichert von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg am
Im Zuge des Kachelmann-Verfahrens (hier: Diskussion im Blog) berichteten die Medien auch über Einzelheiten der vom Angeklagten geschilderten einvernehmlich vorgenommenen sexuellen Handlungen. Schon bald nach dem freisprechenden Urteil im Kachelmann-Prozess forderte der Vorsitzende des Rechtsausschusses im Bundestag Siegfried Kauder (CDU) , die Medienberichterstattungen über Sexualdelikte notfalls gesetzlich zu beschränken, sollten sich die Medien nicht selbst hierzu verpflichten. Es dürfe nicht sein, „dass die Intimsphäre der Betroffenen bis in den letzten Winkel in aller Öffentlichkeit ausgebreitet“ werde. Andere Unions-Politiker schlossen sich dem an und forderten einen Ehrenkodex, mit dem sich die Medien verpflichten sollten, weitaus zurückhaltender über Prozesse wegen sexueller Gewalt zu berichten. Dagegen lehnte der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) eine Beschränkung der Berichterstattung ab, weil der Pressekodex des Deutschen Presserats bereits klare Grenzen ziehe.
Am 14.2.2012 hat nun das OLG Köln in drei von Kachelmann angestrengten Verfahren (Az 15 U 123/11; 15 U 125/11 und 15 U 126/11; vgl auch 15 U 61/11) entschieden, dass Umstände aus dem privaten Lebensbereich des Angeklagten von den Medien auch dann nicht ohne weiteres hätten verbreitet werden dürfen, wenn sie in öffentlicher Hauptverhandlung erörtert wurden. Die Öffentlichkeit eines Gerichtssaals sei nicht mit der medialen Öffentlichkeit zu vergleichen. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung wurde die Revision zugelassen.
Bis zur Verurteilung gelte die Unschuldsvermutung. Dementsprechend zurückhaltend und ausgewogen müsse nach Ansicht des Gerichts über den Tatvorwurf und den auf dem Beschuldigten lastenden Verdacht berichtet werden. Die Berichterstattung im Fall Kachelmann habe sein Persönlichkeitsrecht verletzt. Das Interesse an der Berichterstattung habe hinter seinem Recht auf Schutz seiner Intimsphäre zurückzustehen. Die veröffentlichten Details hätten in keinem Zusammenhang mit dem Tatvorwurf gestanden und seien auch in der Berichterstattung nicht in einen solchen Zusammenhang gerückt worden (zusammenfassende Besprechung in FD-StrafR).
Weiterführende Hinweise:
Gerhardt, Der Richter und das Medienklima – Welchen Einfluss hat die Gerichtsberichterstattung in den Medien auf das Strafverfahren und das Urteil?, ZRP 2009, 247
Friedrichsen, Zwischenruf "Kachelmann-Prozess hätte nicht geführt werden dürfen", ZRP 2011, 246
Müller, Probleme der Gerichtsberichterstattung, NJW 2007, 1617
Trüg, Medienarbeit der Strafjustiz – Möglichkeit und Grenzen, NJW 2011, 1040