Helau und Alaaf: Busengrapschen jetzt erlaubt?
Gespeichert von Prof. Dr. Christian Rolfs am
Nein, so wollte der Zweite Senat sein jetzt veröffentlichtes Urteil vom vergangenen November sicher nicht verstanden wissen. Und deshalb sei allen, die glauben, den Berichten der Tagespresse Gegenteiliges entnehmen zu können, gesagt: Es handelt sich um einen Einzelfall, der nicht als Freibrief für sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz missverstanden werden darf.
Der Kläger ist seit 16 Jahren bei der beklagten Arbeitgeberin als Kfz.-Mechaniker beschäftigt. Im Juli 2012 traf er in den Sozialräumen auf eine ihm bislang unbekannte Mitarbeiterin eines externen Reinigungsunternehmens (Frau M). Nachdem zwei Kollegen die Räumlichkeiten verlassen hatten, führten der Kläger - während er sich Hände und Gesicht wusch - und Frau M ein Gespräch. In dessen Verlauf stellte diese sich zunächst vor das Waschbecken und anschließend neben den Kläger. Der Kläger sagte zu ihr, sie habe einen schönen Busen und berührte sie an einer Brust. Frau M erklärte, dass sie dies nicht wünsche. Der Kläger ließ sofort von ihr ab. Er zog sich um und verließ den Sozialraum. Frau M arbeitete weiter. Sie schilderte den Vorfall später ihrem Arbeitgeber, der seinerseits an die Beklagte herantrat. Einige Tage später bat die Arbeitgeberin den Kläger zu einem Gespräch. Er gestand den Vorfall ein und erklärte, er habe sich eine Sekunde lang vergessen. „Die Sache“ tue ihm furchtbar leid. Er schäme sich, so etwas werde sich nicht wiederholen. Gleichwohl kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis noch am gleichen Tag fristlos. In der Folge richtete der Kläger ein Entschuldigungsschreiben an Frau M und zahlte ihr ein Schmerzensgeld. Frau M nahm seine Entschuldigung an und versicherte, die Angelegenheit sei damit für sie erledigt. Sie habe kein Interesse mehr an einer Strafverfolgung. Das gegen den Kläger eingeleitete Ermittlungsverfahren wurde gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
Mit seiner Klage gegen die außerordentliche Kündigung (§ 626 BGB) blieb der Kläger beim Arbeitsgericht ohne Erfolg. LAG und BAG gaben ihm dagegen recht: Zwar habe er Frau M sexuell belästigt und damit seine arbeitsvertraglichen Pflichten in erheblicher Weise verletzt. Gleichwohl sei es der Beklagten zuzumuten, ihn weiter zu beschäftigen. Nach den Umständen des Streitfalls hätte eine Abmahnung als Reaktion von ihrer Seite ausgereicht:
Das Landesarbeitsgericht hat sich aufgrund der gesamten Umstände des Streitfalls die Überzeugung iSv. § 286 Abs. 1 ZPO gebildet, bereits durch eine Abmahnung werde eine Wiederholung iSv. § 12 Abs. 3 AGG „ausgeschlossen“. Es hat diese Überzeugung darauf gestützt, dass es sich um den ersten Vorfall nach langjähriger, beanstandungsfreier Beschäftigung gehandelt und der Kläger in dem Gespräch am 31.7.2012 sein Fehlverhalten ohne Zögern eingeräumt habe, obwohl er es aufgrund der „Vier-Augen-Situation“ im Waschraum möglicherweise erfolgreich hätte abstreiten können. Aus seiner Erklärung im Personalgespräch mit der Beklagten, der Vorfall tue ihm furchtbar leid und er schäme sich dafür, hat es den Schluss gezogen, dass der Kläger über sein Verhalten ehrlich erschrocken gewesen sei. In diese Richtung wiesen auch das Entschuldigungsschreiben und die Herbeiführung eines Täter-Opfer-Ausgleichs unter Zahlung eines Schmerzensgelds.
(BAG, Urt. vom 20.11.2014 - 2 AZR 651/13, BeckRS 2015, 65741)