Ist es strafbare Sachbeschädigung, ein Graffiti zu übersprühen?
Gespeichert von Prof. Dr. Henning Ernst Müller am
Seit gestern in vielen Presseberichten: Die 70jährige Irmela Mensah-Schramm, die seit Jahren - vielfach preisgekrönt - v.a. rechte und nazi-ideologische Sprüche, Plakate und Aufkleber im öffentlichen Raum entfernt oder verändert, wurde wegen Sachbeschädigung gem § 303 Abs. 2 StGB verurteilt. Das Gericht hat also eine tatbestandsmäßige, rechtswidrige und schuldhafte Sachbeschädigung bejaht, allerdings dann nur eine geringe Sanktion vorgesehen, nämlich eine "Verwarnung mit Strafvorbehalt" nach § 59 StGB. Die Geldstrafe von immerhin 30 Tagessätzen blieb vorbehalten und es wurde ein Jahr Bewährungszeit (§ 59a StGB) angeordnet. (Quelle: RBB)
Es ging nach den Presseberichten um eine Fußgängerunterführung, in der zuvor mit schwarzer Farbe der Spruch "Merkel muss weg!" gesprüht worden war. Durch Übersprühen und Ergänzen mit rosa hat die Angeklagte daraus "Merke! Hass weg!" gemacht. Dadurch wurden auch bisher unberührte Wandteile mit rosa Farbe besprüht. Und nur um das Erscheinungsbild dieser bislang unberührten Wandteile kann es gehen. Weder kann die Angeklagte für die vorherige Beschädigung verantwortlich gemacht werden noch geht es bei der Anklage (selbstverständlich) darum, dass sie den vorherigen Spruch unleserlich gemacht hat. Ebenso wenig geht es hier um die Intention der Angeklagten eine (vermeintlich oder tatsächlich) "rechte" Meinungsäußerung gegen eine solche "guter Gesinnung" auszutauschen. § 303 StGB ist kein Propagandadelikt, die Norm schützt nur das Eigentum.
Wie berichtet wird, hielt das Gericht die Tat für geringfügig und hätte gern nach § 153 Abs. 2 StPO eingestellt, erhielt dazu aber nicht die Zustimmung der Staatsanwaltschaft. Deshalb kam es zur Verurteilung mit der relativ niedrigen (aber nicht der geringsten!) Sanktionsstufe.
Folgende Fragen stellen sich mir:
Wer hat eigentlich den (nach § 303 c StGB erforderlichen) Strafantrag gestellt? Oder hat die Staatsanwaltschaft hier tatsächlich ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung bejaht?
Wie fiel die Bewertung der "Erheblichkeit" aus, die Tatbestandsmerkmal des § 303 Abs. 2 StGB ist? Sind einige Quadratzentimeter zusätzlich besprühte Fläche tatsächlich schon "nicht nur unerheblich"? Sollte die Erheblichkeit nicht einfach am Aufwand der Beseitigung des Schadens gemessen werden, der sich durch die zusätzlich besprühten Wandteile (teilweise zwischen den Buchstaben des ursprünglichen Spruchs) kaum merklich verändert haben dürfte? Warum hat das Gericht die Geringfügigkeit nur auf die Schuld bezogen gesehen, nicht aber schon auf die Erheblichkeit?
Fragen, die sicherlich in der Berufung beantwortet werden, die die Angeklagte einlegen will. Sie denkt nämlich nicht, dass sie die Bewährungszeit ohne weitere solche Übersprüh-Aktionen überstehen wird bzw. will.