Doppelt isoliert: Außerordentliche Kündigung wegen eigenmächtiger Quarantäne
Gespeichert von Martin Biebl am
So hatte er sich das mit der Selbstisolation sicher nicht vorgestellt. Das Arbeitsgericht Kiel (ArbG Kiel, 11.3.2021 – 6 Ca 1912 c/20) hat eine außerordentliche verhaltensbedingte Kündigung wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung für wirksam erachtet.
Die entscheidenden Leitsätze lauten:
"3. Die Weisung des Arbeitgebers gegenüber einem sich selbst als Risikopatienten bezeichnenden Arbeitnehmer, die Einarbeitung von zwei neuen Mitarbeitern vor Ort unter Einhaltung der Hygieneregeln im Betrieb vorzunehmen, entspricht auch in Zeiten der Corona-Pandemie im konkreten Fall billigem Ermessen iSd. § 315 Abs. 1 BGB, unter A.II.3.a) der Gründe.
4. Die beharrliche Weigerung des Arbeitnehmers, die Arbeit vor Ort im Betrieb zu erbringen, um die Urlaubsreise zur Familie nach B. nicht durch eine Ansteckung mit dem Sars-CoV-2-Virus zu gefährden, rechtfertigt im konkreten Fall eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB, unter A.II.4. der Gründe."
Der Arbeitnehmer war als Web-Entwickler bei seinem früheren Arbeitgeber beschäftigt. Er erbrachte wegen der Corona-Pandemie den weit überwiegenden Teil seiner Arbeitsleistung bereits im Homeoffice. Wegen der notwendigen Einarbeitung von zwei neuen Kollegen sollte er jedoch 14 Tage ins Büro kommen und dort die Einarbeitung unter Einhaltung der üblichen Schutzmaßnahmen vornehmen. Kurze Zeit nach der geplanten Einarbeitung wollte der Kläger dann in Urlaub gehen. Nachdem die Einarbeitung auch noch ordnungsgemäß begonnen wurde, beendete der Kläger sie vorzeitig und eigenmächtig und teilte dem Arbeitgeber mit, er werde vor seinem geplanten Urlaub überhaupt nicht mehr ins Büro kommen, sondern ausschließlich von zu Hause aus arbeiten. Durch diese selbstverordnete "Quarantäne" wollte er sicherstellen, dass er vor dem Urlaub möglichst wenig Kontakte hatte, um dann im Urlaub möglichst risikofrei seine Familie besuchen zu können. Seinen Worten lies er Taten folgen und erschien bis zum Urlaubsantritt nicht mehr. Der Arbeitgeber kündigte außerordentlich, hilfsweise ordentlich. Bereits die außerordentliche Kündigung führte aus Sicht des Unternehmens zum Erfolg.
Das Arbeitsgericht Kiel setzt sich in der Entscheidung lehrbuchartig mit dem Kündigungssachverhalt auseinander und stellt zunächst klar, dass die Weisung des Arbeitgebers an den ehemaligen Arbeitnehmer zur Einarbeitung von zwei Mitarbeitern für zwei Wochen vor Urlaubsantritt im Betrieb wirksam war, weil sie billigem Ermessen entsprach. Die Umstände vor Ort im Betrieb entsprachen den arbeitsschutzrechtlichen Vorgaben und die Weisung des Arbeitsgebers berücksichtigte sowohl die Interessen des Klägers, als auch die Interessen des Unternehmens im hinreichenden Maße. Der Kläger hatte auch keinen Anspruch darauf, ausschließlich im Homeoffice eingesetzt zu werden. Die Beklagte durfte also unter Einhaltung der Corona-Maßnahmen die Einarbeitung von Mitarbeitern als Präsenzveranstaltung organisieren und den Kläger zu dieser Tätigkeit auffordern.
Am Ende der Entscheidungsgründe stellt das Arbeitsgericht Kiel fest: "Der Kläger hat hier mit bemerkenswerter Deutlichkeit seine eigenen Urlaubsinteressen über die Interessen der Beklagten auf einen ordnungsgemäßen Betriebsablauf gestellt. Dies wiegt so schwer, dass das objektive Vertrauen der Beklagten in den Kläger derartig erschüttert ist, dass dieser eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zuzumuten war."