Verkehrsrechtliche Anordnung von Verkehrszeichen gibt es nicht!
Gespeichert von Carsten Krumm am
Bei Geschwindigkeitsverstößen wird häufig problematisiert, ob die maßgeblichen Verkehrszeichen auch wirklich angeordnet wurden. Hintergrund sind Fälle, in denen vor allem in Baustellenbereichen etwa die ausführenden Firmen falsche Beschilderungen aufstellten. Die Rechtsprechung hat natürlich Schwierigkeiten mit Anträgen dahin, die maßgeblichen Anordnungen beizuziehen. Dabei scheint die Beiziehung eines jedenfalls überprüften Beschilderungsplanes - wie der vorstehend verlinkte Fall oder dieser hier zeigen - nicht wirklich fernliegend. Das AG St. Ingbert sieht (gestützt von OLG-Rechtsprechung) keinen Anlass, derartigen Anträgen nachzukommen:
Wird wie vorliegend von einem standardisierten Messverfahren ausgegangen, bedarf es der Hinzuziehung eines Beschilderungsplanes bzw. der verkehrsrechtlichen Anordnung nicht (OLG Zweibrücken, Beschluss vom 05.05.2020 - Az. 1 OWi SsBs 94/19, juris Rn. 19). Die Messörtlichkeit einschließlich der Beschilderung ist durch das Messprotokoll in der Akte ausreichend dokumentiert, so dass es der Überlassung der verkehrsrechtlichen Anordnung nicht bedarf (OLG Koblenz, Beschluss vom 17.11.2020 - Az. 1 OWi 6 SsRs 271/20, juris Rn. 56). Verkehrszeichen stellen Verwaltungsakte in Form von Allgemeinverfügungen dar, vgl. § 35 VwVfG (BVerwG, Urt. v. 11.12.1996 - Az. 11 C 15/95, NJW 1997, 1021, 1022). Sie sind nach §§ 43 III, 44 VwVfG nur unwirksam, wenn sie nichtig sind, ansonsten ist ein Verwaltungsakt zu befolgen, auch wenn er fehlerhaft ist (OLG Koblenz, Beschluss vom 17.11.2020 - Az. 1 OWi 6 SsRs 271/20, juris Rn. 57). Ein Verwaltungsakt ist nach § 44 I VwVfG nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommender Umstände offenkundig ist, darüber hinaus nur unter den Voraussetzungen des § 44 II VwVfG (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.11.1990 - Az. 5 Ss (OWi) 384/9, NVZ 1994, 204).
AG St. Ingbert Urt. v. 15.9.2022 – 65 Js 667/22, BeckRS 2022, 24322
Also: Derartige Fragen müssen von der Verteidigung im Zweifel schon im Verfahren bei der Verwaltungsbehörde geklärt werden, notfalls mithilfe des Antrags nach § 62 OWiG.